Gauck nennt Altbundespräsidenten einen "großen Deutschen"
Deutschland trauert um Richard von Weizsäcker
Berlin (epd). Richard von Weizsäcker habe "tiefe Spuren in der Geschichte unseres Landes hinterlassen". Mit diesen Worten würdigte Bundespräsident Gauck den ehemaligen Präsidenten beim Trauerstaatsakt im Berliner Dom vor rund 1.400 Gästen aus dem In- und Ausland.
Mit militärischen Ehren und Würdigungen seines politischen Lebenswerks hat Deutschland Abschied von dem verstorbenen Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker genommen. Dem Staatsakt am Mittwochvormittag im Berliner Dom ging ein evangelischer Trauergottesdienst voran. Begleitet von einer Ehreneskorte der Polizei wurde der Leichnam Weizsäckers am Nachmittag zum Berliner Waldfriedhof Dahlem gebracht. Dort sollte er im Familienkreis bestattet werden. Weizsäcker war am 31. Januar im Alter von 94 Jahren gestorben.
Bundespräsident Joachim Gauck würdigte ihn als "großen Deutschen und herausragenden Bundespräsidenten". Weizsäcker habe "Maßstäbe für das Amt gesetzt", sagte Gauck im Berliner Dom: "Die deutsche Geschichte hat ihn geprägt. Und er hat selber tiefe Spuren in der Geschichte unseres Landes hinterlassen." Er habe das Richtige gesagt und getan.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) betonte die Bedeutung von Weizsäckers politischem Erbe für die Gegenwart. "Nicht Armeen, nicht Krieg, nicht Zwang - sondern das Wort kann den Lauf der Dinge prägen", sagte Steinmeier. "Für Richard von Weizsäcker lag im Wort die Hoffnung auf Frieden." Der Außenminister sprach auch unter dem Eindruck der Ukraine-Krise. Für den Nachmittag war im russischen Minsk ein Krisengipfel geplant. Steinmeier sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Minsk begleiten.
Gemeinsam mit Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), Bundesratspräsident Volker Bouffier (CDU) und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, nahmen Kanzlerin Merkel und mehrere Bundesminister an dem Zeremoniell teil. Zu den rund 1.400 Gästen aus dem In- und Ausland zählten auch die ehemalige niederländische Königin Beatrix und Polens Ex-Präsident Lech Walesa. Im Berliner Rathaus fand im Anschluss ein Trauerempfang statt. Bundesweit war Trauerbeflaggung für Ministerien und Behörden angeordnet.
Weizsäcker war von 1984 bis 1994 Staatsoberhaupt. In seine zehnjährige Amtszeit fielen die friedliche Revolution in der DDR und die deutsche Wiedervereinigung. Viel beachtet war seine Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1985, in der er die deutsche Kapitulation als "Tag der Befreiung" bezeichnete. Vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten war Weizsäcker Regierender Bürgermeister von Berlin.
Nach Einschätzung Steinmeiers hat Weizsäcker "selbst deutsche Geschichte geschrieben". "Richard von Weizsäcker hat der Welt neues Vertrauen in unser Land gegeben", sagte der SPD-Politiker: "Wiedergewonnenes Vertrauen war unverzichtbar auf dem Weg zur Wiedervereinigung." Deutschland zehre bis heute von diesem Vertrauen.
Die ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Antje Vollmer (Grüne), bezeichnete Weizsäcker als "Glücksfall für unser Land". "Er war nicht allzeit auf Sendung, er war auf Empfang", sagte Vollmer. Aus Sicht der evangelischen Theologin war der Altbundespräsident ein Zuhörer von großer Intensität und ohne jedes Vorurteil.
Für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist Weizsäcker ein Vorbild in Zeiten, in denen das politische Klima manchmal vergiftet sei. "Er wollte die schweren Verletzungen unseres Landes heilen", sagte Schäuble: "Sein Leben war so reich, wie es für einen Menschen nur sein kann."
In seiner Predigt im vorangegangenen evangelischen Trauergottesdienst hob der Berliner Altbischof Martin Kruse das politische Augenmaß, die Nüchternheit und zugleich den Wagemut Weizsäckers hervor. Geleitet wurde der Gottesdienst vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm.
12. Februar 2015
Erschienen am 12.02.2015
Aktualisiert am 04.01.2016