Die produktive Kraft von Schuld in Theologie und Politik
Ist der Schuldige König?
Das Stuttgarter Schuldbekenntnis der EKD von 1945 hat zwar eine Schuldigkeit der Kirche im Blick auf ihren geringen Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur benannt. Die Mitschuld der Kirche am Entstehen und Wachsen des Nationalsozialismus aber wird darin nicht thematisiert - so ein leitender Gedanke in der Diskussion um das historische Bekenntnis im Rahmen der Tagung zur „produktiven Kraft von Schuld in Theologie und Politik“ am 16. und 17. Oktober. Bei aller Unzulänglichkeit hat das Stuttgarter Schuldbekenntnis dennoch eine wichtige Funktion gehabt, betont Studienleiter Dr. Christian Staffa: „Angesichts der Unbußfertigkeit insgesamt war das zumindest eine kleine Schneise, die Reflektion ermöglicht hat. Gustav Heinemann und Martin Niemöller sind damit wirklich in die Gemeinden gegangen und haben versucht, darüber ins Gespräch zu kommen, was die Gemeindemitglieder mit dieser Art der Adressierung von Schuld anfangen können."
Der Text der EKD vor 70 Jahren war Anlass, danach zu fragen, welche produktive Kraft Schuld entfalten kann, sagt Staffa: „Eine produktive Kraft liegt nicht in der Schuld selbst, sondern in unserer Fähigkeit, uns als freie Menschen der Schuld und unserer Prägung zu stellen.“ Deshalb könnten Schuldbekenntnisse, so vorläufig sie oft auch seien, eine wichtige Rolle spielen in einem längeren Prozess der Auseinandersetzung, der Konfrontation und der Neuorientierung – biblisch Umkehr. „Schuldbekenntnisse bedeuten so die Wiedergewinnung von Handlungsfähigkeit von Gruppen, Gesellschaften und eben auch der Kirchen."
Die Tagung wurde in Kooperation mit der Martin-Niemöller-Stiftung durchgeführt. Diese Vorträge der Tagung können Sie downloaden:
Prof. Dr. Martin Stöhr: „Martin Niemöller: Krumme Wege. Vom U-Boot zum Freikorps zum Kirchenpräsidenten“ (PDF-Dokument, 323.4 KB)
Prof. Dr. Angela Standhartinger: „‘Und vergib uns unsere Schuld....‘ Schuld und Vergebung im Neuen Testament“ (PDF-Dokument, 219.7 KB)
Dr. Jürgen Müller-Hohagen: Schuld in therapeutischen Kontexten und Erträge für eine gesellschaftliche Perspektive (PDF-Dokument, 261 KB)
Erschienen am 17.11.2015
Aktualisiert am 23.11.2015