„Kirchen können Europa stärken“
Rede von Jerzy Margański beim Sommerfest
Auf ein „Votum für Europa“ der Kirchen in Deutschland und Polen hofft der polnische Botschafter der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland Jerzy Margański angesichts der von vielen Krisen geprägten Befindlichkeit der Europäischen Union. In seiner Rede zum Sommerfest der Akademie am 30. August 2015 unterstrich Margański, dass es wünschenswert wäre, wenn Europa ein Thema der deutsch-polnischen Begegnung der Kirchen bliebe. „Das brauchen wir heute nicht weniger als vor 50 Jahren“, sagte er mit Blick auf den Beginn der Aussöhnung zwischen Polen und Deutschland. Wenn die beiden Kirchen in einigen schwierigen Fragen, die Europa heute bewegen, das Wort wieder ergriffen, würde Europa gestärkt, betonte der Botschafter.
Im deutsch-polnischen Versöhnungsprozess vor 50 Jahren hätten die Kirchen eine Schlüsselrolle gespielt, so Margański. Er verwies dabei insbesondere auf die im Jahr 1965 erschienene Ostdenkschrift der EKD als „ein langes, lautes Pladoyer für die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze und für die Versöhnung mit Polen“, die zu einem Meilenstein auf dem Wege zu einer neuen Ostpolitik der Bundesrepublik geworden sei. Die Zeitenwende in den Beziehungen zwischen den Nachbarländern sei darüber hinaus auch durch den im selben Jahr verfassten Brief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder eingeleitet worden, der den berühmten Satz „wir vergeben und bitten um Vergebung“ enthielt.
Der 1970 in Warschau unterzeichnete deutsch-polnische Vertrag hat Margański zufolge neue Wege für die zwischenstaatlichen Beziehungen eröffnet, eine Versöhnung aber, unterstrich der Botschafter, „kann nur zwischen freien Völkern Wurzeln schlagen und breitere Kreise der Gesellschaft erreichen.“ Das habe zwischen Polen und Deutschland erst 1990 nach dem Ende des autoritären Sozialismus und nach der Wiedererlangung der vollen Souveränität durch Polen geschehen können.
Doch nicht nur die mit der Ostdenkschrift und dem Brief der polnischen Bischöfe angestrebte Versöhnung zwischen den Nachbarn sei real geworden, „auch die andere, politische Botschaft der kirchlichen Dokumente vor 50 Jahren“ ist Margański zufolge in Erfüllung gegangen: Mit der Aufnahme Polens in die NATO und in die EU sei das Land wieder in die westliche Hemisphäre zurückgeführt worden. Der Botschafter ist überzeugt: „Die Europäische Union öffnete die beiden Länder und Völker füreinander und schuf den Rahmen für eine neue deutsch-polnische Nachbarschaft“. Die EU-Finanzkrise, die Aggression Russlands gegen die Ukraine und die massenhafte Einwanderung von Flüchtlingen ließen derzeit aber „beunruhigende Risse“ in der europäischen Einheit entstehen. Hier sieht Margański auch die Kirchen gefordert, ähnlich wie vor 50 Jahren ihre Stimme zu erheben.
Die gesamte Rede von Jerzy Margański lesen Sie hier (PDF-Dokument, 152.2 KB).
Erschienen am 01.10.2015
Aktualisiert am 07.10.2015