Tagungsbericht „Ungleiche Vermögensverteilung“

„Ungleiche Vermögensverteilung“

Tagungsbericht

© fotolia Ezio Gutzemberg

Die gefühlte Ungleichheit in Deutschland ist groß. Aber wie steht es tatsächlich um das Verhältnis von Arm und Reich in unserer Gesellschaft? Die Tagung „Ungleiche Vermögensverteilung - Gefahr für die Demokratie?“ am 19. November 2015 ging dieser Frage nach. Auch die Bedeutung von Leistung als Motor für sozialen Aufstieg sowie der Zusammenhang von Vermögen einerseits und den Chancen für eine faire demokratische Beteiligung andererseits standen im Mittelpunkt der Veranstaltung.

„Die Menschen in Deutschland nehmen die eigene Gesellschaft als so ungerecht wahr, wie es sonst nur die Osteuropäer tun“, sagt Studienleiter Dr. Michael Hartmann. Zumindest im Blick auf die Verteilung des Einkommens sei eine solche Wahrnehmung nicht gerechtfertigt: Im Vergleich der OECD-Länder ist die Verteilung des Einkommens „ziemlich gerecht“, betont Hartmann. Allerdings gelte für die Vermögensverhältnisse das Gegenteil: Hier herrsche bei der Verteilung ein eklatantes Ungleichgewicht. In der OECD geht es im Blick auf die Verteilung von Vermögen nur in Nordamerika ungerechter zu.

Was resultiert aus dieser Ungleichverteilung? Dr. Gerhard Schick, Finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, habe in diesem Zusammenhang vom Problem der „Vermachtung‘“ gesprochen, berichtet Michael Hartmann. Da sehr wohlhabende Menschen und große Unternehmen größere Möglichkeiten der politischen Einflussnahme hätten, entstehe eine Umwucht bei den Beteiligungsmöglichkeiten in Politik und Wirtschaft. Tatsächlich hätten politische Akteure der Konzentration von Vermögen durch eine entsprechende Steuerpolitik – etwa bei der Börsenumsatzsteuer, der Besteuerung von Vermögen, durch die niedrigen Spitzensteuersätze und die Abgeltungssteuer - Vorschub geleistet. Auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank mit niedrigen Zinsen führte dazu, dass Unternehmen und reiche Personen sich leicht Geld leihen können, und durch dieses Fremdkapital die Eigenkapitalrendite einer Investition steigern. „An diesem Punkt, das wurde in der Tagung deutlich, muss nach Ansicht vieler Menschen in den Kirchen der Bevorzugung Vermögender entgegengewirkt werden“, so Hartmann. Die Wirksamkeit der diskutierten steuerlichen Maßnahmen gerade im nationalen Kontext sei allerdings umstritten.

Vor dem Hintergrund der vielen nach Deutschland kommenden Flüchtlinge erhält die Diskussion über die sozialen Aufstiegschancen besonderes Gewicht. Insgesamt, so der Studienleiter, überwiegen skeptische Stimmen im Blick auf solche Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs. Die Gründe dafür sind vielfältig: „Aus finanzieller Perspektive muss festgestellt werden, dass die Vermehrung von Vermögen z.B. durch Investmentfonds, nur von Menschen realisiert werden kann, die auch Verluste verkraften können.“ Bildungschancen hätten wieder vermehrt mit der sozialen Herkunft zu tun. In kultureller Hinsicht sei außerdem bedeutsam, dass Ausbildung und Vermögensbildung mit dem Aufschub von Bedürfnissen verbunden seien - ein Verhalten, dass seinerseits erlernt werden müsse. „Wo Statuskonsum so wichtig ist, kann eine mit nur niedrigem Einkommen verbundene Ausbildung nicht attraktiv sein“.

Eine entscheidende Rolle für die Wahrnehmung von Aufstiegschancen spielen nicht zuletzt psychologische Aspekte, unterstreicht Hartmann: „Wenn deutlich wird, dass das Aufstiegsversprechen nicht eingelöst werden kann, und wenn kommuniziert wird, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergehe, führt dies zu einer Entmutigung.“ Die Einschränkung der Selbstwirksamkeitserwartung im Erfahrungskomplex ohnehin benachteiligter Jugendlicher und Erwachsener werde verstärkt. „Das Versprechen, dass Leistung in der sozialen Marktwirtschaft lohnt, muss wieder einlösbar werden“.

Zwar sei der Sozialstaat bei der Umverteilung von Einkommen leistungsfähig und wachse relativ schneller als das Bruttoinlandsprodukt, aber auch hier sei im Rahmen der Podiumsdiskussion der Tagung ein Finger in die Wunde gelegt worden, indem darauf hingewiesen worden sei, dass von der Umverteilung vor allem die Mittelschicht, nicht aber die sozial schwächeren Gruppen profitierten.

„Wie auch immer die Gründe beschaffen sind: Die sich verfestigende Ungleichverteilung von Vermögen in unserer Gesellschaft zeigt, dass die Aufwärtsmobilität ins Stocken geraten ist, und dass wir mehr tun müssen, um dem entgegenzuwirken“, so das Fazit von Studienleiter Hartmann. Dies betreffe insbesondere den Bildungsbereich, aber auch die Steuerpolitik.

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