Über 60 Jahre christlich-jüdischer Dialog

Der Weg entsteht im Gehen

Über 60 Jahre christlich-jüdischer Dialog

© Foto: U.W. Grimm

Der langjährige christlich-jüdische Dialog hat einen Paradigmenwechsel in der christlichen Theologie angestoßen in Bezug auf das Aufarbeiten der eigenen antijudaistischen Tradition und in Bezug auf das Ernstnehmen der besonderen und bleibenden Verwiesenheit des Christentums auf das Judentum. Diese Einschätzung vertrat Prof. Dr. Ursula Rudnick in ihrem Vortrag im Rahmen der Woche der Brüderlichkeit am 12. März in Berlin. Die Beauftragte für Kirche und Judentum der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers zeichnete die Geschichte des seit 60 Jahren andauernden christlich-jüdischen Dialogs in Deutschland nach – und nannte dabei die Fragen und Herausforderungen, die heute aus den Dialogerfahrungen der Vergangenheit folgen. Der Vortrag wurde von der der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin e.V. (GCJZ Berlin) in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie zu Berlin und mit dem Institut für Kirche und Judentum organisiert.

Welche Herausforderungen stellen sich nach sechs Jahrzehnten christlich-jüdischen Dialogs? Rudnick wies darauf hin, dass der Umgang mit Schuld - auch wenn es kaum mehr lebende Täter gibt - auch in der Gegenwart noch eine Relevanz habe. Zum einen sei die Geschichte noch nicht an allen Orten aufgearbeitet, zum anderen gebe es eine Verantwortung für die Überlebenden.

Im Blick auf die Gesellschaft stelle sich angesichts von noch immer gegenwärtigen antisemitistischen Einstellungen und Handlungen auch aktuell leider noch immer die Frage: Wie kann der christlich-jüdische Dialog zur Bekämpfung des Antisemitismus beitragen? Die Kirchen müssen sich nach Einschätzung Rudnicks auch selbstkritisch fragen, ob antisemitischen Einstellungen in den eigenen Reihen klar widersprochen wird. Es sei zu fragen, wie groß die Diskrepanz zwischen den Äußerungen von Kirchenleitungen und „der Basis“ ist.

Die Theologin machte weiterhin deutlich, dass sich im Vorfeld des Reformationsjubiläums aus der Sicht des christlich-jüdischen Dialogs spezifisch für die evangelische Theologie die Aufgabe stelle, sich weiterhin mit dem Antijudaismus Martin Luthers auseinanderzusetzen und ihn aufzuarbeiten.

Nach den jahrzehntelangen Dialogen  sei auch in christlichen Kontexten inzwischen „gut angekommen“, dass die Hebräische Bibel in zwei unterschiedlichen Weisen – christlich und jüdisch - gedeutet und gelebt wird. Daraus folgt aber für Rudnick die Herausforderung, diese Erkenntnis um den doppelten Resonanzraum biblischer Texte auch im Gottesdienst zu zeigen – in der Predigt über Texte der Hebräischen Bibel, aber auch etwa dadurch, dass die Gottesdienstgemeinde bei einer Lesung aus dem „Alten Testament“ ebenso aufsteht wie bei einer Evangeliumslesung, als Zeichen des Respekts vor der darin bezeugten Gotteserfahrung.

Dr. Eva Harasta

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