„Empowered by Democracy“
Projektstart
Um die Möglichkeiten und Potenziale von jungen Menschen mit Fluchterfahrung im Bereich der politischen Bildung geht es im Projekt „Empowered by Democracy“. Die Federführung für dieses von der Bundesregierung finanzierte Großprojekt liegt bei der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung (et). Studienleiterin Dr. Claudia Schäfer berichtet im Gespräch über die Ziele des Projekts und was die Evangelische Akademie zu Berlin beitragen wird.
Frau Dr. Schäfer, „Empowered by Demoracy“ ist ein Gemeinschaftsprojekt, das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ gefördert wird. Was möchte das Ministerium bewirken?
Partizipations- und Bildungsangebote im Bereich der politischen Bildung sollen mehr Menschen mit Fluchterfahrung erreichen, auch diejenigen, die erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben. Im Projekt geht es um die politische Bildung mit jungen Geflüchteten. Es sollen Räume geschaffen werden, in denen junge Menschen mit Fluchterfahrung politische Themen diskutieren können und wo sie politische Mitsprache- und Teilhabemöglichkeiten praktizieren.
Konkret wollen wir versuchen, junge Geflüchtete als „Teamer*innen“ für den Bereich der politischen Bildung zu gewinnen und auszubilden. Es wird bundesweit sehr viele Angebote geben, die auf der Internetseite des Projekts zu sehen sind. Da gibt es zum Beispiel Seminare zum Erlernen von Moderationstechniken oder zur Anleitung von Gruppen. Das dann natürlich mit dem Ziel, dass einige junge Geflüchtete das Gelernte am Ende selbst umsetzen können, ihre eigenen Themen bearbeiten und selbst zu Multiplikator*innen in ihren jeweiligen Kontexten werden.
Werden die Ergebnisse dieser Angebote ausgewertet?
Das ist ein ganz wichtiger Teil des Projekts. Insgesamt gibt es drei Säulen: Zum einen geht es darum, dass sich die sich politisch Bildenden an den verschiedenen Institutionen, die in das Projekt einbezogen sind, selbst weiterbilden und intensiv austauschen: Welches Format kann wo funktionieren, was passt in welchem Kontext und in welchem nicht? Welche erprobten interkulturellen Methoden sind geeignet? Dazu hatten wir im September hier an der Evangelischen Akademie zu Berlin bereits eine Tagung, bei der es um Vernetzung, Austausch und Einblicke in bereits bestehende Angebote und Erfahrungen politischer Bildner ging, um kollegiale Beratung, Selbstreflexion und der konkreten Vorbereitung eigener Veranstaltungen.
Die zweite Säule ist die konkrete Umsetzung in allen diesen Kontexten, in homogenen und heterogenen Gruppen, auf dem Land und in der Stadt. Themen, Teilnehmende und Formate sollen so auch für die Zukunft und außerhalb des Projektes bunter, vielfältiger, interkultureller werden und Zielgruppen ansprechen, die bisher nur sehr selten etwa in Evangelischen Akademien anzutreffen sind.
Das dritte schließlich sind idealerweise die jungen Geflüchteten, die am Ende als Teamer, Referierende oder Honorarkräfte gemeinsam mit erfahrenen Kräften oder in Teams Seminare anbieten. Die zeitnahe Auswertung jeder einzelnen Veranstaltung und der trägerübergreifende Wissenstransfer während des Projektes ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal.
Eine Besonderheit an „Empowered by Democracy“ ist die Größe des Projekts….
Genau. Umgesetzt wird es von vier Trägern: dem Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB), der Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke (AKSB), dem Bundesarbeitskreis ARBEIT UND LEBEN und der Evangelischen Trägergruppe. Damit verbindet sich eine große Chance, nämlich die Vielfalt der Erfahrungen, die einfließen und die neu gemacht werden. Vom Stadtteilprojekt bis zur Diskussionstagung gibt es eine große Bandbreite an Angeboten und Formaten, und gleichzeitig eben einen großen Austausch zwischen vielen Verbänden und den rund 50 beteiligten Bildungseinrictungen bundesweit.
Was wird die Evangelische Akademie zu Berlin beitragen?
Wir werden in Kooperation mit „Jugendliche ohne Grenzen“ zunächst im März 2018 eine Tagung für junge Menschen mit Fluchterfahrung anbieten, in der das Sprechen über diese Erfahrung reflektiert, Diskriminierungserfahrungen geteilt und Partizipation und die Hürden auf dem Weg dorthin thematisiert werden können. Da wird es sicher um Fragen gehen wie: Ob, wie und mit wem kann über Fluchterfahrungen gesprochen werden, wie können Auftritte und Präsentationen vor Publikum - zum Beispiel zur politischen Lage in Syrien - gehalten werden, gibt es berufliche Perspektiven, die sich damit verbinden?
Neben dem Austausch über eigene Aktivitäten wird viel Raum sein für neue Projektideen, von denen einige dann bei den geplanten Workshops "Making Heimat" im Herbst umgesetzt werden können. Ganz konkret werden wir gemeinsam überlegen, wen interessierte Teilnehmer im Herbst mit welchen Angeboten einladen möchten. Diese Angebote werden dann niedrigschwellig sein, es kann beispielsweise um den Besuch politisch-historischer Orte in Berlin gehen, um Dolmetschen in verschiednen Kontexten oder das Erarbeiten einer Theaterperformance. Ich möchte hier bewusst keine Vorfestlegung treffen, denn die Teilnehmenden wissen am besten, über welche Wege sie mit anderen jungen Menschen über politische Fragen ins Gespräch kommen können, und davon kann ich wiederum viel lernen.
„Empowered by Democray“ wird bis 2019 gefördert. Wird man am Ende sagen können: Wir haben hier einige junge Geflüchtete umfassend zu Teamern für die politische Bildung ausgebildet?
Ich glaube schon, dass einige junge Menschen mit Fluchterfahrung ein gutes Rüstzeug erhalten können. Trotzdem ist es nach meiner Einschätzung unrealistisch anzunehmen, sie könnten innerhalb langer Planungszyklen eine strukturell vorgegebene Abfolge von Modulen durchlaufen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich um Menschen handelt, die zu großen Teilen eine ungesicherte Bleibeperspektive haben. Wie soll ein Jugendlicher, der nicht weiß, ob er in drei Monaten noch in Deutschland sein wird, der Angst um seine Familie hat, die er oder sie nicht nachholen kann, der ohne Privatsphäre wohnen und selbst um einen Deutschkurs mitunter kämpfen muss, langfristiges Engagement planen? Hier besteht eine große Diskrepanz in den Erwartungen an die jungen Geflüchteten, die einerseits aufgerufen werden, sich politisch (weiter) zu bilden, denen andererseits aber oftmals keine Sicherheit geboten wird.
Der offizielle Auftakt des bundesweiten Modellprojekts „Empowered by Democracy“ findet am 8. Dezember 2017 unter dem Titel „Stärken. Bilden. Vernetzen. Welchen Beitrag kann politische Jugendbildung für die Teilhabe junger Geflüchteter leisten?“ in Berlin statt. Näheres dazu unter: Empowered by Democracy (PDF-Dokument)
Erschienen am 14.11.2017
Aktualisiert am 20.11.2017