Vortrag Claussen Kirche und Macht

Ist die Kirche zu unpolitisch?

Vortrag des EKD-Kulturbeauftragten

© Dombaubüro Berliner Dom / Foto: Michael Lucan, Lizenz: CC-BY-SA 3.0 de [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Die Evangelische Kirche ist unpolitisch und hat keinen öffentlichen Einfluss. Mit dieser Provokation war dem Kulturbeauftragten des Rates der EKD, Johann Hinrich Claussen, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer sicher. Sein Vortrag am 17. Februar „Wie heute öffentlich Kirche sein?“ stand im Rahmen der Tagung „1817 – 2017: Kirche und Macht“ im Berliner Dom.

Die „scheinpolitische Einmischung“ von Kirchenleitenden sei derzeit nicht mehr als ein „klerikaler Bluff“, ein „öffentliches Moralmanagement“, aber keine echte, strategisch geplante politische Intervention, so der Kulturbeauftragte. Den Grund dafür sieht Claussen in einer „Verunsicherung und Verzagtheit“ der Evangelischen Kirche nach dem Ende des alten, auf die Verbindung mit den politisch Mächtigen gestützten Klerikalismus.

Er plädierte dafür, dass die Kirche eine - weder private noch staatliche - „Zwischeninstitution“ sein möge, eine selbstkritische, öffentliche „Institution der Freiheit“, die eine humane Kultur in der Gesellschaft stärken könne. Ein gutes Beispiel sei das öffentliche Auftreten der Kirche während der so genannten Flüchtlingskrise. Hier sei „in der Balance zwischen Barmherzigkeit und Besonnenheit“ eine besondere Übereinstimmung zwischen den öffentlichen Äußerungen und dem Handeln der Kirche gelungen. Diese Authentizität habe auch zu einer Revitalisierung von Gemeinden geführt.

Wer aus der Kirche heraus verantwortlich politisch reden will, soll sich Johann Hinrich Claussen zufolge „institutionell entäußern“, also nicht auf eine kirchenleitende Funktion, sondern auf „die Macht des Arguments“ setzen. Jedes Kirchenmitglied sei im Sinn einer zivilgesellschaftlich engagierten Kirche gefordert. Dies sei ein genuin protestantisches Prinzip – eine Folge der souveränen Freiheit jedes Christenmenschen. Claussen nahm Luthers Idee der christlichen Freiheit auf und verstand sie als „Freiheit zur Veränderung“ und bürgerliche Freiheit. Im freien Austausch freier, gleichberechtigter Bürgerinnen und Bürger sei es wichtig, am Widerspruch interessiert zu sein, um eine wirklich gemeinsame Willensbildung voranzutreiben. Daher sind politische Äußerungen von der Kanzel ungeeignet:„Die Predigt hat keine Gegenrede“. Der Kulturbeauftragte empfahl, selbstkritisch die Grenzen des eigenen Wissens zuzugeben und gleichzeitig die spezifischen Stärken der Kirche zur Geltung zu bringen: „Unterschiedliche Lebens- und Arbeitserfahrungen zu bündeln und zur öffentlich Sprache bringen, ist ein guter Beitrag“.  Zum „ernsthaften“ Betreiben von Politik gehöre, Ziele zu beschreiben, Bündnisse einzugehen und sich am Erreichten messen zu lassen.

Gegenüber einem wachsenden öffentlichen Einfluss von Populismus erkennt Claussen es als Aufgabe auch der Kirchen, die offene Gesellschaft zu verteidigen. Dazu hält er es für sinnvoll, zunächst den Begriff „Feind“ neu zu definieren. Im Unterschied zum politischen Gegner, der sich als Konkurrent durch den Streit mit bessern Argumenten durchsetzen will und mit dem Kompromisse möglich sind, stelle ein Feind das gegenwärtige politische System insgesamt infrage, ja, er wolle es abschaffen. „Mit Feinden muss man anders streiten als mit Gegnern“, so der Kulturbeauftragte. Eine zentrale Aufgabe der Kirchen im zivilgesellschaftlichen Diskurs sei es, Menschen in ihrem Engagement für die freiheitliche demokratische Gesellschaft zu ermutigen und die guten christlichen Gründe für eine solche freie Gesellschaft zur Geltung zu bringen. Christen und Christinnen hätten dabei eine starke Basis: Ohne Illusion über den Menschen mit seiner Boshaftigkeit und Eigennützigkeit hält das Christentum doch an der Hoffnung auf Gerechtigkeit und Versöhnung fest.

Mehr über die Tagung erfahren Sie hier.

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