Churches as Agents for Justice and against Populism
Ergebnisse und Anstöße
Kirchen müssen klar dazu Zeugnis geben, wann demokratische Prozesse der Gerechtigkeit entsprechend geschehen – und wann nicht. Diese Ansicht vertrat Prof. Dr. Puleng LenkaBula (Südafrika) bei der Konferenz „Churches as Agents for Justice and against Populism“ vom 2. bis 4. Mai 2018. Die Frage nach der politischen Stimme der Kirche gegenüber populistischen Bewegungen hatte 70 Menschen aus 26 Ländern in Berlin zusammengeführt. Ein Bericht von Dr. Eva Harasta.
Das global vernetzende Projekt hatte Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Argentinien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Großbritannien, Haiti, Hong Kong, Indien, Italien, Kroatien, Lesotho, Myanmar, dem Nahen Osten, Norwegen, Österreich, Polen, Ruanda, Simbabwe, Südafrika, Schweden, aus der Schweiz, aus Tschechien, Ungarn und aus den USA zusammengeführt. Bischöfe und Universitätsprofessor*innen waren ebenso darunter wie Studierende verschiedener Fachrichtungen, Pfarrer*innen und Menschen aus der diakonischen oder entwicklungspolitischen Arbeit. Die Frage nach der Stellung der Kirche gegenüber politischen Bewegungen, die sich gegen die Demokratie und gegen die Menschenrechte positionieren, stand im Mittelpunkt ihrer Beratungen. Als Überbegriff für solche Bewegungen gilt „Populismus“, auch wenn die Brauchbarkeit dieses Begriffs besonders vonseiten der Teilnehmenden aus dem globalen Süden hinterfragt wurde. Für die europäischen und nordamerikanischen Kontexte freilich wurde die Wichtigkeit des Begriffs „Populismus“ zur Analyse einhellig festgehalten. – Wie auch festgehalten wurde, dass die Entwicklungen in diesen beiden Kontexten des globalen Nordens spürbar Auswirkungen auf andere globale Regionen haben.
Populismus betrifft die Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft als solche – er berührt die Grundbedingungen öffentlichen Diskurses selbst und bewirkt ein – ausgrenzendes – „Zusammenschrumpfen“ des öffentlichen Raumes („shrinking public space“). Populistische Politik wirkt in ganz verschiedenen globalen Kontexten auf eine Krise der Demokratie hin, indem er bestehende demokratische Strukturen unterhöhlt oder den Aufbau von demokratischen Strukturen verhindert. Beim Abendforum am 2. Mai in der Französischen Friedrichstadtkirche bekräftigten der EKD-Ratsvorsitzende Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und die Erzbischöfin der Kirche von Schweden, Antje Jackelén die Verantwortung der Kirche im politischen Diskurs und betonten beide, dass ein politisches Eintreten der Kirche geistlich zu begründen ist, allem voran im Bekenntnis zum Gekreuzigten und Auferstandenen als der Gestalt von Gericht und Versöhnung zugleich. Auch die 35 Referierenden der Fachtagung waren sich darin einig, dass die Kirchen politisch engagiert für die Demokratie Stellung beziehen müssen – je kontextuell und zugleich global vernetzt.
Aus den allesamt wichtigen Beiträgen der Fachtagung seien hier fünf herausgegriffen. Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. András Bozóki (Ungarn) unterschied zwischen „thin populism“ und „thick populism“. Die im „thin populism“ erst angelegten Züge können sich im „thick populism“ zu nationalistischer, autoritärer Politik auswachsen – dies sei auch mitten in Europa möglich. Bischof Dr. Tamás Fabiny (Ungarn) betonte, dass sich die Kirche sowohl selbstkritisch mit eigenen Vorurteilen und Ungerechtigkeiten auseinandersetzen muss, sich aber auch klar und deutlich an die Allgemeinheit richten muss – im ungarischen Kontext besonders im Sinn einer Kritik der medialen Darstellung von Geflüchteten und einer Kritik an ausgrenzender Politik.
Die Verbindung von Selbstkritik und einer klaren Stimme nach „außen“ betonte auch Prof. Dr. Esther McIntosh (UK) aus ihrer Perspektive als wissenschaftliche Theologin. Sie legte einen couragierten und differenzierten Vortrag vor, in dem sie einerseits sexistische Mechanismen im öffentlichen Diskurs nachzeichnete (v.a. in Bezug auf häusliche Gewalt gegen Frauen und in Bezug auf systematische Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt) und andererseits sexistische Mechanismen im theologischen Diskurs selbst ansprach (der „Kanon“ theologischer Literatur, der gelehrt wird, ist bis heute eine Bibliothek von Büchern, die Männer geschrieben haben, obwohl es längst gewichtige Veröffentlichungen von Frauen gibt).
Das Grundmotiv der kirchlichen und theologisch-ethischen Positionierung für die Demokratie nahm Prof. Dr. Puleng LenkaBula auf. Sie wies darauf hin, dass die Demokratie als Regierungsform allein noch nicht zu gerechteren Zuständen führt – auch das Apartheidsregime bezeichnete sich selbst als Demokratie. Heute leiden Länder des globalen Südens unter Entscheidungen, die durch demokratisch gewählte Regierungen des globalen Nordens gefällt werden. Den Kirchen kommt in dieser Situation, so LenkaBula, im Blick auf die Bewertung staatlichen Handelns eine besondere Verantwortung zu.
Prof. Dr. Linda Thomas (USA) nahm das populistische Grundmotiv der Ausgrenzung auf und sprach über Rassismus im öffentlichen Diskurs der USA. Sie betonte dabei als Ausgangspunkt, dass jede – auch jede wissenschaftliche – Deutung von Politik und Gesellschaft an die existenzielle und soziale Position des Menschen gebunden ist, der spricht. Dann verwies sie auf die Relevanz des intersektionalen Zugangs: Diskriminierungsmotive verstärken einander gegenseitig und sind nicht nur durch gegenwärtige soziale Bedingungen geprägt, sondern auch historisch. Dr. Thomas vertrat die Position, dass ein politisch-theologischer Einsatz gegen Rassismus wesentlich „von unten“, also mit den Beziehungen zwischen Einzelnen anfängt – auf der Gemeindeebene.
Am Ende der Konferenz wurde ein „Summary of Major Findings“ beschlossen, das nun in die verschiedenen Kontexte der Konferenzteilnehmer*innen einfließen soll und wird. Den Text dieser kurzen Zusammenfassung finden Sie hier (deutsch) (PDF-Dokument, 265.4 KB) und hier (englisch, Original) (PDF-Dokument, 262 KB).
Die Konferenz war eine Kooperation zwischen dem Lutherischen Weltbund, Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst, der Kirche von Schweden und der Evangelischen Akademie zu Berlin. Das Berlin Institute for Public Theology war ein ideeller, lokal-universitärer Partner des Projekts. Vonseiten der Evangelischen Akademie zu Berlin wurde das Projekt von Studienleiterin Dr. Eva Harasta koordiniert.
Weitere Bilder von der Konferenz finden Sie hier. Fotografin: Anna-Maria Baur.
Erschienen am 24.05.2018
Aktualisiert am 24.05.2018