Besser ein Licht anzünden, als über die Finsternis zu klagen
03.12.2020 | ADVENT 2020 | Rolf Martin
„Also: Es ist finster. Man zündet ein Licht an. Und selbst wenn es nur ein kleines Licht ist, ist die Finsternis überwunden.“
Diesen Satz habe ich von Abe, einem Freund aus Soweto, Südafrika. Mit seiner christlichen Jugendorganisation startete er in den 80er Jahren, also während der Hoch-Zeit der Apartheid, ein Programm, mit dem man dort junge Erwachsene schulte. Sie sollten in die Lage versetzt werden, nach der Apartheid in Führungspositionen mit christlichen Werten zu leiten. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass die Apartheid jemals überwunden werden könnte. Darum fand ich das Programm eine Verschwendung von Ressourcen. Doch dann kam alles anders. Heute verstehe ich: „Besser ein Licht anzünden als über die Finsternis zu klagen.“
Die Jugendorganisation mit dem Namen „Youth Alive Ministries“ existiert immer noch. Viele der damaligen jungen Erwachsenen sind tatsächlich heute in Führungspositionen angekommen und die Apartheid ist Geschichte. Ist nun alles gut?
Nein. Schaut man sich Südafrika an, muss man sagen, dass nicht alles gut ist. Die damals Jungen, die heute Senioren sind, haben keine Wunder vollbringen können. Manche konnten auf einem guten Lebens-Pfad bleiben, viele sind den Sachzwängen des Lebens erlegen und dann irgendwann falsch abgebogen. Manche von ihnen aber sind bemüht, wieder auf gute Wege zurückzukehren.
War es nun darum sinnlos, damals diese jungen Erwachsenen zu schulen?
Abe ist inzwischen fast 70 Jahre alt. Er arbeitet immer noch für „Youth Alive Ministries“. Inzwischen tut er es ehrenamtlich. Hauptamtliche können nicht mehr bezahlt werden, weil Spendengelder seit dem Ende der Apartheid ausbleiben.
Ich fragte ihn: „Abe, war es sinnlos, die jungen Erwachsenen zu schulen?“ Er versteht meine Frage, eine westliche, „weiße“ Frage im Sinne von: Was hat dein Einsatz gebracht? Hat er sich gelohnt? Er weiß: Ich denke enttäuscht, dass da viele der jungen Menschen von damals einflussreich und wohlhabend geworden sind, sich aber nicht mehr mit Fördermitteln am Erhalt der Organisation beteiligen. Und darum entgegnet er: „Ja, es lohnt sich! Ich tue hier immer noch, was ich am besten kann. Ich schule junge Menschen für ein verantwortungsvolles Leben. Die Organisation ist nicht so wichtig, nach dieser wird es andere geben, - vielleicht digitale, die besser in die aktuelle Zeit passen. Aber die guten Gedanken werden weiterleben und sich lebendig entwickeln. Du weißt doch: Besser ein Licht anzünden, als über die Finsternis zu klagen.“
„Okay“, denke ich, und „wo er recht hat, hat er recht!“ Und: „Wie gut, dass jetzt Adventszeit ist.“ Adventszeit ist wie ein Trainingslager, in dem man das Anzünden von kleinen Lichtern üben kann. Apartheid hin, Corona her, Trump hin, Orban her, Querdenken hin, Nazirechtsdenken her, Antisemitismus hin, Rassismus her usw: „Du weißt doch: Besser ein Licht anzünden, als über die Finsternis zu klagen.“ Und ich denke mir: „Geh ins Adventstrainingslager!“
Rolf Martin ist Pastor emeritus und unterstützt seit dem Herbst die digitale Arbeit der Evangelischen Akademie zu Berlin.
Erschienen am 27.11.2020
Aktualisiert am 03.12.2020