Weiße, so weiße Weihnacht
10.12.2020 | ADVENT 2020 | Maike Schöfer
In der Adventszeit wird es mir immer wieder ganz klar: Das Christentum in Deutschland ist weiß, patriarchal und eurozentrisch. In weihnachtlichen Kinderbüchern, in Krippendarstellungen, auf Adventskalendern, auf weihnachtlichen Bildern – überall begegnet mir ein weißer Jesus mit weißen Eltern. Das ist #notmyjesus. Denn auf der einen Seite ist ein weißer Jesus historisch inkorrekt. Und auf der anderen Seite geht es hier um christliche, weiße Dominanz.
Es tut mir sehr leid, dass Sie hier keinen kuscheligen, flauschigen Adventstext lesen. Aber wir müssen uns als Kirche mit Rassismus befassen. Jetzt!
Ich kritisiere nicht, dass es weiße Jesus-Darstellungen an sich gibt, sondern, dass es sie ausschließlich gibt in Deutschland. Ein Schwarzer Jesus ist noch immer eine Ausnahme.
Ja, ich weiß um Heimatkrippen, und dass Jesus in vielen Ländern landestypisch dargestellt wird. Aber in Deutschland und Europa ist es anders. Ein weißer Jesus sendet heute genau das Signal, das wir als Kirche nicht senden wollen: weiße Vorherrschaft. Schwarze Menschen und People of Color (PoC) kommen in unserer Kirche nicht vor. Sie sitzen selten in Gottesdiensten, noch seltener in Gremien, nicht in Leitungspositionen. Obwohl unsere Gesellschaft vielfältig und bunt ist. In unserer Kirche findet sich diese Vielfalt nur eingeschränkt wieder. An einer Stelle aber kommen PoC vor: und zwar als Hilfsbedürftige, die die Hilfe von weißen Christ*innen brauchen. Genau davon handelt auch der Weihnachts-Song „Do they know it‘s Christmas?“ von Band Aid. Wussten Sie nicht? Der Song, der eigentlich gut gemeint war, weil er Spenden bringen sollte, reproduziert Vorurteile und Klischees über Schwarze Menschen und den Kontinent Afrika.
Wir müssen über Mission, Kolonialismus, Rassismus und weiße Dominanz sprechen. Wir müssen aber vor allem Schwarzen Menschen und PoC zuhören!
Deshalb: Quinton Ceasar, was sagst du uns? „Als weiße Kirche müssen wir uns auf den Weg machen, eine klare Sprache der Befreiung von Unterdrückten und Unterdrückungssystemen zu finden. Die weißen Kirchen müssen sich mit ihrem eigenen Weißsein, dem white privilege, auseinandersetzen. Eine befreiungstheologische Perspektive kann ein wichtiger Baustein sein, um als Glaubensgemeinschaft eine antirassistische Gesellschaft mitzugestalten.“
Sarah Vecera, was gibst du uns mit? „Ich wünsche mir für die Kirche, dass sie mutig ist, Privilegien zu teilen. Interkulturelle Öffnung, Schwarze und nicht-weiße Menschen sollen nicht als Leck im Boot gesehen werden, sondern die Türen sollen aufgemacht werden, und es soll heißen: Jetzt kommt ihr mit ans Steuer! Schwarze Menschen und PoC sollen auf Augenhöhe gesehen werden, mit in Leitungsgremien sitzen, Verantwortungen übernehmen dürfen. Macht soll geteilt und unsere Perspektiven gehört und miteinbezogen werden.“
Maike Schöfer ist Religionslehrerin und Vikarin. Sie hat das feministische Andachtskollektiv FAK initiiert und schreibt auf Instagram (@ja.und.amen) u.a. über Glaube, Kirche und Feminismus. An der Akademie hat sie als Referentin in der Reihe „Talking Religion“ mitgewirkt.
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Quinton Caesar ist südafrikanischer Theologe und seit 2015 Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Sarah Vecera ist Internationale Bildungsreferentin der Vereinten evangelischen Mission VEM und aktiv in der Antirassismus-Arbeit, u.a. auf Instagram (@moyo.me).
Erschienen am 02.12.2020
Aktualisiert am 10.12.2020