No where – Now here: Gedanken zu Himmelfahrt
Beobachtungen in einer veränderten Welt 18 – Christian Staffa
Der Himmel ist auch der Raum, an den sich die Allmachtsphantasien von Menschen knüpfen - bei gleichzeitiger Angst, dass er ihnen auf den Kopf fällt, meint Christian Staffa. In seinen Gedanken zu Himmelfahrt möchte er den Himmel als „Verheißung und Einspruch gegen das, was ist“ ins Gespräch bringen.
Der Himmel ist klarer in diesen Tagen als an vielen Frühlingstagen der Vorjahre. Aber wohin schauen wir, wenn wir da hinschauen ins Nirgendwo? Die Unendlichkeit, die wir nicht denken können, das No where, das uns, wenn wir uns dahinein vertiefen, schaudern lässt. Vielleicht auch deshalb wurde der Himmel bevölkert in alten Tagen mit Herrschaftsfiguren. Und so ist der Himmel auch als Raum der Phantasie nie losgelöst von den Herrschafts-Verhältnissen auf Erden. Deshalb ist es auch ein umkämpfter Raum, in den sich die christliche Tradition einsetzte einst, um menschliche Herrschaft zu kritisieren. „Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.“ So beten Christenmenschen in ihrem wichtigsten Gebet, dem Vaterunser. „Now here“ - „Im Himmel wie auf Erden“ - jetzt!
In dem Bibeltext, der zu Unrecht aus der neuen Perikopenordnung für diesen Himmelfahrtstag herausgefallen ist, Eph 1,20-21, heißt es: „die göttliche Kraft zeigte sich wirksam in der Auferweckung Jesu von den Toten und indem er in den Himmelsräumen ihn zu seiner/ihrer Rechten hinsetzte, über jede Herrschaft und alle Gewalt und alle Macht und jedes Herrentum“. Eine radikale Herrschaftskritik menschlicher Herrschaft: Der Himmel wird zum Raum der Unterordnung menschengemachter Herrschaft, das heißt: Die Kriterien von Machtausübung sind Gerechtigkeit und Frieden, wie sie in der gesamten Bibel, im Alten wie im Neuen Testament, buchstabiert werden. Now here.
Dass christliche Gemeinde wie zuvor und gleichzeitig immer schon und in Zukunft Verkörperung dieser Herrschaftskritik dieses unglaublichen Anspruchs und gleichzeitig der Zusage – modern gesagt - des Empowerments ist: Ja, ihr seid es! Eine Zusage, ein Zuspruch von Kraft und Orientierung, wie sie vielleicht von uns zu Himmelfahrt nicht erwartet werden, eine Stärkung in der Auseinandersetzung mit den Mächten im Eigenen wie im Fremden der Welt. Himmelfahrt, so eng ans Ostergeschehen gebunden, wird fast Pfingsten, noch ohne Heiligen Geist, aber schon mit Bevollmächtigung: Jesus Christus als Gemeinde existierend. Wir sind gemeint!
Now here!
Somit wird in dieser Linie auch der Einspruch gegen eine folgenlose, individualisierte Himmelfahrt hörbar - und damit der jüdische Grund solcher Existenz, die ohne Gerechtigkeit und Vorschein der zukünftigen Welt nicht auskommen kann und will.
Der Himmel ist aber auch der Raum, an den sich die Allmachtsphantasien von Menschen knüpfen bei gleichzeitiger Angst, dass er ihnen auf den Kopf fällt. Das ist auch in diesen Krisenzeiten spürbar. Das eine wird empfunden als narzisstische Kränkung, dass es etwas so Unkontrollierbares gibt wie diesen Virus. An diesem Kontrollverlust, der ja recht eigentlich schon ohne den Virus existiert in mannigfaltigen Beziehungen, muss jemand schuld sein, daraus speisen sich Verschwörungsideologien. Hier wird das „No where – now here“ zur Manifestation schon lange gehegter Ressentiments und bisher wohl konstitutiver Welterklärungsmodelle des Antisemitismus.
Dagegen könnte versuchsweise, aber eben gerade jetzt vielleicht stammelnd, möglichst nicht zu vollmundig, der Himmel, der über allen aufgeht, als Verheißung und als Einspruch gegen das, was ist, ins Gespräch gebracht werden. Möglichst nicht zu vollmundig, weil wir ja doch wissen, dass wir selbst immer auch Teil dessen sind, was ist und was beharrt auf bzw. profitiert von wenig menschenfreundlichen Verhältnissen. Aber doch wollen dürfen und sollen wir unterwegs sein mit dem offenen Himmel über uns als Reisende, die das Zerrissene und Zerreissende im Blick haben für eine Welt ohne Hass bewegt von der Menschenfreundlichkeit Gottes.
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Erschienen am 18.05.2020
Aktualisiert am 08.01.2021