Wir wollen auch ein neues Denken voranbringen

„Wir wollen auch ein neues Denken voranbringen“

Adventsblog „Geburt und Anfang“ │ Lisa Marie Fix

© table / photocase.de

Weihnachten und Schöpfung - Geburt und Anfang - sind in der christlichen Tradition eng mit der Symbolik des Lichts verbunden. Auch auf den Fotos zu unserem Adventsblog steht das Licht im Mittelpunkt.

Von der Bühne auf den Intendantinnensessel – und das als Dreierteam: Für die Schauspielerin Lisa Marie Fix bringt das neue Jahr einen umfassenden beruflichen Neustart. Ein Interview über Anfänge und Weiterentwicklung, Herausforderungen und Gewissheiten.

Von der Schauspielerin zur Intendantin – wie groß ist dieser Neuanfang für Sie?

Lisa Marie Fix: Natürlich habe ich künftig komplett andere Aufgaben. Aber ich weiß gar nicht, ob das ein Neuanfang in dem Sinne ist oder einfach die Weiterführung eines Weges. Wenn man schon ein paar Jährchen auf der Erde ist, ist es ja immer eher ein Weiter, und es kommt Neues dazu.

Neu ist auf jeden Fall, dass ich jetzt mit Geschäftsführung zu tun habe, dass ich mich da einfach weiterbilden muss, Neues lerne – und auch eine neue Rolle lerne und was da alles dazugehört. Wir treten ja zu dritt als Leitungsteam an, und da werden natürlich Hauptkompetenzen verteilt. Darüber bin ich auch froh: Bei diesem Neuanfang steht man nicht einsam an der Spitze, sondern als Team.

Auch so eine Leitung als Team klingt nach etwas ziemlich Neuem.

Das ist auch neu, dass man am Theater nicht so stark in Hierarchien denkt. Meistens gibt es ja – zumindest an den Stadttheatern in Deutschland – den Intendanten und darunter eine dem Kunstbetrieb eigentlich gar nicht so entsprechende Hierarchie. Wir wollen auch ein neues Denken voranbringen, dass man eher kollegial und im Team führt. Aus der eigenen Schauspielerperspektive wissen wir auch: Wenn Schauspieler fehlen oder Künstler oder Tänzer oder Techniker, die in der Hierarchie der Stadttheater oft eher unten angesiedelt sind, kann eigentlich gar kein Theater stattfinden. Ohne einen Intendanten kann dagegen eigentlich ziemlich viel stattfinden.

Sie als Team werden sich bestimmt auch erst einmal finden müssen, obwohl sie sich schon lange kennen.

Ja, komplett. Aber das ist ja auch der Mehrwert. Die größte Aufgabe bei so einem Versuch ist die Kommunikation: dass man sich darin trainiert, wirklich transparent und klar und kollegial zu kommunizieren. Das ist auf jeden Fall eine neue Art der Leitung und der Verantwortungsteilung.

Wir wollen auch zeigen, wie so etwas geht als Frau in den Mittdreißigern, meistens mit Familie: Wie geht das zusammen mit Muttersein und Familiesein? Wir machen das als Arbeitsmodell mit 60 Prozent einer vollen Stelle – und nicht 120 Prozent mit Burn-out und keiner Zeit mehr für Kinder. Das ist schon auch eine gesellschaftliche Aussage darüber, was Arbeit eigentlich sein soll.

Was wollen Sie künstlerisch und inhaltlich neu machen?

Unter anderem wollen wir ein Forum schaffen mit der freien Szene in Bern, aber auch in der Schweiz und international, in dem man Qualitätskriterien verhandelt. Dieses Forum soll ein Qualitätsvokabular erschaffen, mit dem man sich austauschen kann, ohne übereinander herzufallen. Gerade in dieser Zeit, in der sehr viel übereinander hergefallen wird zum Beispiel beim Thema Corona, geht es uns darum, einen Austausch über Qualität zu schaffen und ein Vokabular zu bieten, um sich auszutauschen.

Ein weiterer Punkt wird digitale Dramaturgie sein, also die Frage: Wie kann man künstlerische Inhalte anders machen, als ein Stück zu spielen, abzufilmen und dann ins Netz zu stellen. In diesem Bereich gibt es Skills, von denen wir Normalos keine Ahnung haben. Damit kann man Kultur transportieren und einen Zugang schaffen auch für Leute, die nicht ins Theater gehen können oder wollen oder die es nicht gewohnt sind.

Haben sie bei all dem Neuen auch Wege, um bewusst Verbindung zu vertrauten Dingen, Menschen oder Gewohnheiten zu halten? Was gibt ihnen Halt?

Zum Teil ist es immer wieder eine Demut zu wissen: Es geht uns eigentlich echt gut. Man kann ja Sorgen haben, kann aufgeregt sein und genervt und sich entwurzelt fühlen. Aber so eine Grunddemut zu wissen: wir sind gesund, wir haben Essen, wir haben ein Bett, eine Familie – das ist immer wieder ein guter Berater bei allen Unwägbarkeiten und allem Neuen – eine Grunddemut und Dankbarkeit, sich die wesentlichen Dinge in Erinnerung zu rufen.

Lisa Marie Fix hat als Schauspielerin an Theatern und in Filmproduktionen gearbeitet. Zuletzt war sie fest am Jungen Theater MOKS Bremen engagiert. Zum Jahreswechsel übernimmt sie zusammen mit zwei Kolleginnen die Intendanz des Schlachthaus Theaters Bern (Schweiz).

Das Interview führte Christoph Dreyer

Geburt und Anfang. Ein Adventsblog

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