Wie leben wir 2030 zusammen?
TheoLab zur Zukunft der Stadt
„Die Gleichzeitigkeit von Baklava und Bienenstich, der Geschmack von Freiheit und Vielfalt.“ „Die Vielfalt, die sich trotz Pandemie-Einschränkungen überall erleben lässt.“ „Holzkohle, um Heizöfen zu feuern, der beste Döner der Welt.“ „Kaffeemobil, Spritzenbus und Lounge-Musik auf dem Kirchenvorplatz.“ So unterschiedlich waren die Assoziationen der Expert*innen aus Wissenschaft, Politik, Kirche und anderen Bereichen der Zivilgesellschaft, die am 13. Theologischen Labor (TheoLab) teilnahmen, zur Frage: Mein Berlin – wie schmeckt, klingt und riecht diese Stadt für mich?
Nach diesem Einblick in aktuelle Wahrnehmungen Berlins als Ort des Lebens und Arbeitens, als Raum des Mit- und Nebeneinanders blickten die Teilnehmenden in die Zukunft. In zwei Gesprächsrunden gingen sie – aus Perspektive ihrer jeweiligen Profession – der Frage nach, welche Themen uns in dieser Stadt künftig beschäftigen werden. Kritisch gefragt wurde auch, wer diese Themen setzen und Diskurse dominieren wird. Eng damit verbunden war eine Diskussion über die Potenziale und Herausforderungen der Religion(en) für das Zusammenleben in Berlin.
Der Umgang mit Ambiguität als Herausforderung in einer religiös-weltanschaulich vielfältigen Stadtgesellschaft stand im Mittelpunkt einer der Expert*innengruppen: Wie werden wir mit der immer weiter wachsenden Pluralität an religiösen Überzeugungen, Praktiken und Räumen umgehen? Wie sichtbar soll und darf Religion sein? Während einige Teilnehmende Religion vor allem im Spannungsfeld zwischen befriedenden und abgrenzenden Kräften wahrnehmen, fragten andere danach, inwieweit religiöse Akteure in Zukunft demokratieverstärkend wirken können. Einig waren sich die Gesprächspartner*innen darin, dass dafür ein religions- und rechtspolitischer Rahmen gebraucht wird. Und schließlich gab es ein starkes Plädoyer für mehr gelebte Solidarität zwischen Religionsgemeinschaften vor Ort: Warum, so ein konkreter Vorschlag, treten kirchliche Friedhöfe nicht häufiger ungenutzte Flächen an muslimische Gemeinden ab?
Im Mittelpunkt der zweiten Expert*innenrunde stand die Frage nach Einsamkeit, Isolation und Räumen der Begegnung. Diskutiert wurde das Paradoxon, dass durch die zunehmenden analogen und digitalen Kommunikationsmöglichkeiten der Isolationsstress derjenigen Menschen zunimmt, die Schwierigkeiten haben, daran teilzuhaben – sei es aus psychischen, sozialen oder finanziellen Gründen. Damit verknüpft diskutierten die Teilnehmenden über die wachsende Bedeutung öffentlicher Räume. Nur wenn öffentliche Plätze und Einrichtungen in der Stadt erhalten und neu geschaffen werden, so ein zentrales Argument, kann sich die Stadtgesellschaft in ihrer Diversität an sozialen und politischen Aushandlungs- und Entscheidungsprozessen beteiligen.
In der Schlussrunde wurde deutlich, dass das Theologische Labor in dieser besonderen Form – als multiperspektivisches Fachgespräch in einem geschützten Raum – eine Lücke füllt, die gerade in Corona-Zeiten offenbar wurde: Es eröffnet einen Begegnungsraum für Menschen, die sich sonst womöglich nicht über den Weg laufen, aber vereint sind in dem Bemühen, ein gutes Zusammenleben in unserer Stadtgesellschaft mitzugestalten.
Erschienen am 26.07.2021
Aktualisiert am 26.07.2021