„Auch die Fremdlinge lieben…“
Gedanken zur Lage von Geflüchteten an der Grenze zwischen Belarus und Polen
Gott macht keine Unterschiede zwischen „Fremdlingen“. Deshalb dürfen die Flüchtlinge, die an der polnisch-belarussischen Grenzen weiterhin ausharren, nicht vergessen werden. Dazu ruft Akademiedirektorin Friederike Krippner in ihrer aktuellen Kolumne in der Wochenzeitung „Die Kirche“ auf. Krippner schreibt dort als Vorsitzende des Ständigen Ausschusses „Ökumene, Mission, Dialog“ der Landessynode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
In meiner vorigen Kolumne an dieser Stelle schrieb ich über die schreckliche Lage der geflüchteten Menschen an der polnisch-belarussischen Grenze. Ich schrieb von unserer Ohnmacht in dieser Situation und davon, dass es unsere Pflicht als Christinnen und Christen sei, weiter auf diesen untragbaren, durch eine menschenverachtende Politik ausgelösten Zustand aufmerksam zu machen. Kurz zuvor hatte die Herbstsynode dazu einen Beschluss verabschiedet. Ich schloss mit den Worten: „Auf dass diese Kolumne, würde sie in zwei Monaten erneut geschrieben, anders klänge.“
Seitdem sind nicht zwei, sondern vier Monate vergangen. Die Kolumne klänge heute wohl tatsächlich anders. Aber sicher nicht hoffnungsfroher. Um die polnisch-belarussische Grenze ist es (noch) stiller geworden. Das heißt aber nicht, dass sich für die Menschen dort etwas verbessert hätte. Im Gegenteil: Den jüngsten, raren Berichten zufolge ist nach wie vor von sogenannten Pushbacks auszugehen, illegalen Zurückweisungen an der Grenze also. Und Polen baut derzeit eine dauerhafte, gut 60 Kilometer lange Mauer an der EU-Außengrenze zu Belarus.
Das alles gerät schnell aus dem Blick angesichts des Angriffskrieges von Russland gegen die Ukraine. Sehr viele Menschen, vor allem Frauen und Kinder, sind aus der Ukraine geflüchtet. Weitere werden folgen. Auch auf der Frühjahrssynode wurde daher – initiiert von den Ausschüssen „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ sowie „Ökumene, Mission, Dialog“ – ein Beschluss gefasst, in dessen Zentrum die Situation von geflüchteten Menschen steht. „Denn der HERR, euer Gott, (…) und schafft Recht den Waisen und Witwen und hat die Fremdlinge lieb, dass er ihnen Speise und Kleider gibt. Darum sollt ihr auch die Fremdlinge lieben (…)“, heißt es im Buch Deuteronomium (10,17-19). Die Liebe zu Menschen, die zu uns kommen, muss also ganz praktisch sein. Und darum ist es gut, dass neben friedensethischen Überlegungen auf der Synode auch 1,5 Millionen Euro für den Flüchtlingsfonds und damit für solch ganz praktische Nächstenliebe beschlossen wurden.
Die Bibelstelle zeigt aber auch: Gott macht keine Unterschiede zwischen „Fremdlingen“. Über den einen dürfen die anderen nicht vergessen werden. Das gilt innerhalb Deutschlands – aber auch für all jene, die in scheinbar ausweglosen Situationen in Grenzgebieten ausharren.
Den Beitrag veröffentlichen wir hier mit freundlicher Genehmigung der Wochenzeitung „Die Kirche“.
Erschienen am 17.05.2022
Aktualisiert am 23.05.2022