Verhältnis zu Russland – quo vadis?
Aktuelle Eindrücke von Friedrich Schmidt und Marieluise Beck
Die russische Gesellschaft hat sich von einer autoritär beherrschten zu einer totalitären entwickelt, konstatiert Friedrich Schmidt. Bei dem Forum „Beziehungen zu Russland neu denken – aber wie?“ am 30. März skizzierte der FAZ-Korrespondent in Moskau die politische und gesellschaftliche Situation in Russland. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck berichtete live aus Kiew von ihren Eindrücken und Gesprächen vor Ort. Die Berichte und Einschätzungen sind bis heute aktuell.
Schmidt problematisierte den erzwungenen oder freiwilligen Rückzug der freien Medien und das Zensurgesetz als Schritte auf dem Weg zur „Retotalisierung“ Russlands. Gleichzeitig erwarte er im Blick auf die Lage der russischen Gesellschaft einen „großen Niedergang“: „die Russen wissen noch gar nicht, was auf sie zukommt“.
Offiziellen Umfragen zufolge habe der Kreml großen Rückhalt in der Bevölkerung, betonte der Journalist. Persönlich habe er den Eindruck gewonnen, dass das Vorgehen Putins häufig „einen Riss durch die Familien“ hervorrufe: Die jüngere Generation sei durch Internet und Soziale Medien oft gut über den Krieg informiert. Ihre Eltern und Großeltern wollten oft glauben, dass Russland für „das Gute“ und gegen Faschisten kämpfe.
Ein „Anknüpfen an stalinistisches Denken“ bei Putin nimmt auch Marieluise Beck wahr. Die Direktorin Ostmitteleuropa/Osteuropa des Berliner Zentrums Liberale Moderne beobachtet seit vielen Jahren eine „zunehmende Isolation des Landes“, die einhergehe mit vielfältigen Fehleinschätzungen westlicher Politik. Der Krieg in der Ukraine lasse dies wie durch ein Brennglas deutlich werden. Hier werde es neben der territorialen Souveränität auch um die Verteidigung demokratischer Werte gehen.
Erschienen am 28.04.2022
Aktualisiert am 06.05.2022