Zugang ermöglichen, Gegensätze aushalten
Über schwierige Leitungsentscheidungen in der Pandemie
Gottesdienste mit Zugangsbeschränkungen zum Infektionsschutz, unterschiedliche Haltungen zu Corona-Impfungen und Vereinnahmungsversuche bei Protesten stellen Kirchengemeinden in der Pandemie vor ungewohnte Konflikte. Eindrücke aus einer Workshop-Reihe für Gemeindeleitungen.
In Gesprächen rund um die Weihnachtszeit haben wir von Konflikten in einigen Kirchengemeinden erfahren, die sich um die Zugangsregelungen zu den Gottesdiensten am Heiligen Abend drehten. Wegen ihrer Entscheidungen mussten Gemeindekirchenräte teils Beschimpfungen über sich ergehen lassen.
Das haben wir zum Anlass genommen, an drei Abenden ein Forum für Gemeindekirchenräte, Pfarrer*innen und Ehrenamtliche zu schaffen, um sich über schwierige Entscheidungen unter den besonderen Bedingungen der Corona-Pandemie auszutauschen und gemeinsam zu überlegen, bei welchen Themen es Konsens und gemeinsame Lösungsansätze gibt.
Eine Frage, die alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der drei Online-Workshops beschäftigte, war die nach Zugangsregeln und -beschränkungen für Gottesdienste. Dabei wurde eine große Einigkeit deutlich, die Regeln nicht enger als 3G (Zugang für geimpfte, genesene oder getestete Personen) zu fassen, um so vielen Menschen wie möglich den Gottesdienstbesuch zu ermöglichen und keine weiteren Schranken zu errichten. Das war auch eine Lernerfahrung für zukünftige ähnliche Krisensituationen.
Als belastend schilderten viele die anhaltenden Corona-Demonstrationen mit ihren unsäglichen historischen „Vergleichen“. Teilweise finden diese Veranstaltungen vor Kirchengebäuden statt, in denen zeitgleich Montagsgebete abgehalten werden. Einigkeit bestand bei den Workshops darüber, dass es wichtig ist, als Kirche inakzeptable historische Vergleiche zurückzuweisen und zum Beispiel eine Vereinnahmung der friedlichen Revolution von 1989 nicht zuzulassen. Andachten und Montagsgebete wurden von den Teilnehmenden als geistlicher Widerstand gegen die Corona-Leugnung verstanden.
Ein schwieriges Feld ist der Umgang mit Konflikten zwischen Geimpften und Ungeimpften in den Kirchengemeinden. Auf Unverständnis stößt dort, dass ungeimpfte Mitarbeitende zum Beispiel in der Kirchenmusik einige Tätigkeiten ausüben dürfen, andere aber nicht. Grundsätzlichen Widerspruch ruft es hervor, wenn Mitarbeitende sich nicht impfen lassen wollen. Hier bestand bei den Workshops Einigkeit, dass es wichtig ist, im Gespräch zu bleiben und dauerhafte Verwerfungen zu vermeiden. Selbst extrem gegensätzliche inhaltliche Positionen sollten nicht zur Trennung führen.
Uneins waren die Teilnehmenden dagegen in der Frage, ob die Kirchenleitung klarere Vorgaben zum Beispiel zu den Zugangsregeln für Gottesdienste hätte machen sollen. Ein Teil vertrat die Meinung, dass striktere Regeln zu weniger Diskussionen vor Ort geführt hätten und „alle gewusst hätten, was Sache ist“. Andere schätzten Offenheit, Flexibilität und die Möglichkeit, ihre Entscheidungen der Situation vor Ort anzupassen.
Als befreiend nahmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Workshops wahr, dass es die Pandemie ermöglicht hat, Dinge einmal ganz anders zu denken und zu machen. Aktionen im Freien und damit im öffentlichen Raum, Gottesdienste ohne feste Gottesdienstordnung oder kreative Abendmahlsfeiern wurden als Aufbruch erlebt, der auch in die Zeit nach Corona weiterwirken soll.
„Lässt sich überhaupt noch etwas richtig machen?“, hatten wir als Leitfrage über die Abende gestellt. Im Gespräch erlebten wir, dass trotz vieler Beschwernisse die Zeit der Pandemie eine des Handelns, des Zupackens und der Veränderung ist, die in den Kirchengemeinden auch neue Gestaltungsräume eröffnet.
Dr. Christina-Maria Bammel, Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
Heinz-Joachim Lohmann, Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche im ländlichen Raum
Erschienen am 24.02.2022
Aktualisiert am 09.03.2022