Berliner Erklärung afghanischer Frauen
Afghaninnen im Exil fordern Bundesregierung zu mehr Hilfe für Bedrohte in Afghanistan auf
Anlässlich unserer Tagung am Internationalen Frauentag haben in Deutschland und den Niederlanden lebende Afghaninnen einen eindringlichen Appell an die Bundesregierung und die Weltgemeinschaft veröffentlicht, ihre Versprechen an bedrohte Menschen in Afghanistan zu halten. Mehr als 80 Afghaninnen unter der Federführung von Alema Alema – Frauenrechtlerin, Ex-Ministerin und aktuell Afghanistan-Referentin von Pro Asyl – veröffentlichten anlässlich der Tagung eine Erklärung, die sich an politische Entscheidungsträger*innen westlicher Staaten richtet.
In ihrer "Berliner Erklärung" (PDF-Dokument) schreiben die Unterzeichnerinnen: "Seit eineinhalb Jahren werden unsere Millionen Schwestern in Afghanistan ihrer Rechte auf ein freies und sicheres Leben beraubt. In allen denkbaren Lebensbereichen werden sie durch das Taliban-Regime diskriminiert, unterdrückt und nahezu vollständig aus dem öffentlichen Leben gedrängt. Ihnen wurde ihr Recht auf Bildung, politische Teilhabe und auf freie Ausübung eines Berufes genommen. Sie dürfen nicht reisen, keinen Sport treiben, nicht einmal Parks oder öffentliche Bäder besuchen. Viele sind bedroht von Zwangsehen mit Taliban-Anhängern und mittelalterlichen Strafen wie Auspeitschungen und Steinigungen."
Die von der Evangelischen Akademie zu Berlin gemeinsam mit Pro Asyl lausgerichtete Tagung Verraten und vergessen? Frauen in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban dient der Vernetzung afghanischer Frauen im Exil. Außerdem wollten die Teilnehmerinnen der Tagung mit deutschen Politikerinnen Wege ausloten, bedrohte Menschen in Afghanistan zu unterstützen und in Deutschland aufzunehmen. An die zweihundert Afghaninnen, die in Deutschland und den Niederlanden leben, haben ihr Kommen angekündigt.
Forderungen an die Bundesregierung
In dem Appell fordern die Unterzeichnerinnen leichtere Zugänge zum Bundesaufnahmeprogramm, Erleichterungen bei der Familienzusammenführung sowie die Fortführung der Aufnahme über Vergabe von humanitären Visa. Im Asylverfahren sollten afghanische Mädchen und Frauen die Flüchtlingseigenschaft aufgrund geschlechtsspezifischer Verfolgung erhalten, wie jüngst auch von der Europäischen Asylagentur (EUAA) gefordert und von Ländern wie Dänemark und Schweden bereits umgesetzt.
Zusagen aus dem Koalitionsvertrag seien bislang unzureichend umgesetzt worden, kritisieren die Unterzeichnerinnen: Die angekündigte Reform des Ortskräfteverfahrens habe nicht stattgefunden, der Familiennachzug dauere Jahre und die Vergabe von humanitären Visa für höchst gefährdete Personen stocke. Menschen, die nach der Machtergreifung der Taliban mangels Aufnahme in westlichen Staaten in das benachbarte Ausland geflohen sind, seien von dem aufgesetzten Bundesaufnahmeprogramm der Bundesregierung ausgeschlossen. Immer noch würden Asylanträge afghanischer Frauen abgelehnt oder nur mit einem minderen Schutzstatus anerkannt, der den Familiennachzug ausschließe.
Leben unter den Taliban
Für die Menschen in Afghanistan ist es der zweite Internationale Frauentag unter der erneuten Herrschaft der Taliban. Die Situation ist dramatisch: Viele sind auf der Flucht oder im Versteck, Gewalt ist an der Tagesordnung. Dazu kommt eine massive wirtschaftliche Krise, Millionen Menschen leiden unter Hunger. Besonders katastrophal ist die Situation für Frauen und Mädchen, die von den Taliban nahezu vollständig aus dem öffentlichen Leben gedrängt wurden. Ihnen wurde ihr Recht auf Bildung, politische Teilhabe und freie Ausübung eines Berufes genommen. Sie dürfen nicht mehr reisen, keinen Sport treiben, nicht einmal Parks oder öffentliche Bäder besuchen. Ein selbstbestimmtes und sicheres Leben existiert für sie nicht mehr.
Erschienen am 08.03.2023
Aktualisiert am 09.03.2023