Keine individuelle Schuld, aber Verantwortung
Gedanken zum Rassismuskritik-Beschluss der Landessynode
„Struktureller Rassismus“ beschreibt den Umstand, dass wir in einer rassistisch geprägten Gesellschaft leben: einer Gesellschaft, deren Wirtschaftsstruktur, deren nationale Grenzen, deren Wissenschaft sich maßgeblich in der Zeit der Kolonialmächte formten und damit in der Hochphase des Rassismus. Als Individuen, die in diese Strukturen hinein geboren werden, können wir erst einmal gar nichts dafür. Wir können nichts für unsere Herkunft, für unsere Hautfarbe.
Aus strukturellem Rassismus allein erwächst also keine individuelle Schuld – wohl aber Verantwortung: Wollen wir verzagen und uns vor den Fragen wegducken, die eine rassistisch geprägte Gesellschaft an uns stellt? Oder wollen wir uns diesen Fragen stellen? Wollen wir die Erfahrungen der Betroffenen wegwischen oder ihnen zuhören und daraus lernen? Kurzum: Wollen wir uns auf den Weg machen?
Die Landessynode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat diese Frage soeben eindeutig beantwortet. Bei ihrer Herbsttagung hat sie beschlossen, sich „auf den Weg zu einer rassismuskritischen Kirche“ zu begeben. In ihrem Beschluss mit diesem Titel nennt sie viele kleinere und größere Schritte: von Aufarbeitungsprozessen über die Schaffung von Fortbildungsmöglichkeiten bis hin zur Entwicklung von sogenannten Safe Spaces und Räumen des Empowerments für Menschen, die von Rassismus betroffen sind.
Wer die Debatten in der Landeskirche verfolgt, dem wird nicht entgangen sein, dass es während und vor allem nach der Synode Spannungen gab, die das Ergebnis zunächst trüben. Dabei ist der Beschluss Resultat eines bemerkenswerten Prozesses: Eineinhalb Jahre lang haben sich Mitglieder der Synode mit den Themen Rassismuskritik und Diversität in unserer Kirche auseinandergesetzt. Fast alle Ausschüsse waren daran beteiligt; gemeinsam wurde gelernt, gestritten, geschrieben.
Auch im Ausschuss Ökumene, Mission, Dialog wurde emotional diskutiert. Denn beim Thema Rassismus wird es schnell persönlich. Abwehrmechanismen greifen – und das ist verständlich. Denn welcher Vorwurf ist schlimmer als der, man sei eine Rassistin? Mir hilft es in solchen Situationen, mir bewusst zu machen: Struktureller Rassismus ist kein Vorwurf gegen mich persönlich. Aber ein Auftrag, mich dafür einzusetzen, dass rassistische Strukturen in meiner Gesellschaft und meiner Kirche aufgebrochen werden.
Lasst uns also gemeinsam weitergehen!
Der Beitrag ist zuerst als Kolumne in der Wochenzeitung „Die Kirche“ erschienen. Akademiedirektorin Krippner schreibt dort als Vorsitzende des Ständigen Ausschusses „Ökumene, Mission, Dialog“ der Landessynode. Wir veröffentlichen den Text hier mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Erschienen am 14.12.2023
Aktualisiert am 20.12.2023