Kritik an struktureller Gewalt gegen Migranten

Kritik an struktureller Gewalt gegen Migranten

Tagung zu 40 Jahren Kirchenasyl

© Peter Groth für BAG Asyl in der Kirche

Bei einer Tagung zum 40-jähirgen Bestehen des Kirchenasyls in Deutschland haben internationale Flüchtlingsschutz-Organisationen strukturelle Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten beklagt. Als Beispiel verwies Alexander Vernon von der kanadischen Gruppe Canadian Sanctuary Movement auf illegale Zurückweisungen von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer. In den USA würden Migrantenkinder in Käfigen festgehalten. Andere Menschenrechtsverletzungen seien weniger sichtbar, etwa Reisebeschränkungen für Menschen, die in der EU gemäß den Dublin-Regeln ein Asylverfahren in ihrem Ankunftsland auf europäischem Boden durchlaufen, sagte Vernon bei einer Podiumsdiskussion.

Die zweitägige Konferenz in der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche fand 40 Jahre nach dem Tod von Kemal Altun statt. Der 23-jährige Asylbewerber hatte sich am 30. August 1983 aus Angst vor einer Auslieferung in die Türkei aus dem Fenster eines Berliner Gerichts gestürzt. Sein Tod war ein Auslöser für die ersten Kirchenasyle. Veranstalter der Tagung waren die Evangelische Akademie zu Berlin, die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche und der Verein Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg.

Die Direktorin der Diakonie Berlin-Brandenburg, Ursula Schoen, forderte anlässlich der Tagung, bei allen Asylverfahrensfragen den Menschen im Blick zu behalten. „Die aktuellen Vereinbarungen sind gut und sinnvoll, aber die Einzelprüfung und die Frage der Vulnerabilität muss ernst genommen werden“, führte sie unter Hinweis auf vermehrte Forderungen nach Aufweichung des Asylrechts aus.

Oliver Schmidt, Projektleiter Migration und Europa an der Evangelischen Akademie hob in seinem Grußwort die Bedeutung der Kirchenasylbewegung hervor. Mit ihrer Arbeit für geflüchtete Menschen setzten sich die Engagierten ganz praktisch durch empathische Hilfe für ein demokratisches, auf den Werten der Menschenrechte basierendes und weltoffenes Europa ein.

„Grenzsysteme funktionieren nach kolonialen Regeln“

Josephine Furian, Pfarrerin für Migration und Integration in Eisenhüttenstadt, betonte, Grenzsysteme funktionierten noch immer nach kolonialen Regeln, denn es gehe um Kontrolle darüber, wohin Menschen reisen könnten. Das Recht auf Reisefreiheit sei jedoch grundlegend. Noch heute profitierten ehemalige Kolonialmächte dagegen durch das Wirtschaftssystem von den Ländern, die sie in der Vergangenheit kolonisiert hätten.

Elizabeth Ngari von der Organisation Women in Exile forderte die Abschaffung von Asylverfahren. Die Gründerin der Initiative von Flüchtlingsfrauen in Brandenburg wies zudem darauf hin, dass auch Menschen, die Asylbewerbern helfen, Vorurteile haben, die hinterfragt werden müssten.

Geoff Boyce von der US-Organisation No more Deaths betonte, Asylsysteme basierten vielfach auf Abschreckung. „Regierungen schaffen gezielt humanitäre Krisen an Grenzen“, sagte er. Darüber hinaus kritisierte Boyce eine „Eskalation der Gewalt“ in Ländern, in die Flüchtlinge umgesiedelt werden. Dort erlebten sie häufig schlimmere Gewalt als in ihren Herkunftsländern seien.

Flüchtlingsorganisationen müssten sich verstärkt untereinander vernetzen, hieß es bei der Podiumsdiskussion. Reisefreiheit sei noch immer von Reichtum abhängig. Der Fokus auf besonders schützenswerte, weil verletzliche Gruppen wie Frauen und Kinder schaffe Sonderkategorien, kritisierte der Alexander Vernon vom Canadian Sanctuary Movement. Für viele Betroffene gebe es das Recht auf Asyl de facto nicht, denn sie hätten keinen Zugang zu Rechtsberatung.

Die Vertreter von Flüchtlingsorganisationen forderten im Umgang mit Migration nachhaltige und umfassende Lösungen, die Fluchtursachen bekämpfen. Menschen müssten frei entscheiden können, ob sie in ein anderes Land reisen, dort bleiben oder in ihr Herkunftsland zurückwollten.

(epd/EAzB)

2023 30-31 Aug

Fachtagung

Heilig-Kreuz-Kirche

40 Jahre Kirchenasyl

Ultima Ratio und widerständige Praxis für das Grundrecht auf Asyl

Kirchenasyl ist mitunter die Ultima Ratio, wenn Abschiebungen drohen: eine letzte Möglichkeit, Menschenrechtsverletzungen abzuwenden, nachdem alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind. Kirchenasyl ist aber auch Kritik, Korrektiv, widerständige Praxis,… weiter

Dr. Max Oliver Schmidt

Studienleiter Migration und Europa

Telefon (030) 203 55 - 588

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