"Meilenstein auf einem inzwischen gemeinsamen Weg"

„Meilenstein auf einem gemeinsamen Weg“

Christian Staffa zur Erklärung der EKD gegen Antiziganismus

Kirche und Gesellschaft müssen weiter für das Thema Antiziganismus sensibilisiert werden, sagt Christian Staffa. Die offizielle Erklärung des Rates der EKD gegen Antiziganismus sei dabei ein wichtiger Schritt, „aber sicher nicht der letzte“. Im Gespräch berichtet Staffa, wie es zu dieser Erklärung gekommen ist, wie der Austausch zwischen Evangelischer Kirche und dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und anderen Selbstorganisationen weitergehen wird, und welche Rolle die Akademie dabei spielen will.

Am 27. Januar hat die EKD die Erklärung „Gemeinsam Antiziganismus bekämpfen“ (PDF-Dokument) veröffentlicht. Wie ist es zu dieser Erklärung des Rates gekommen?

Eine Initialzündung ging tatsächlich von der Akademie aus: 2017 haben wir eingeladen zu einer Veranstaltung „Vom Vorurteil zur Zusammenarbeit“, aus der sich später das Netzwerk „Sinti, Roma, Kirchen“ entwickelt hat. Die Akademie ist im Netzwerk durch mich vertreten; es spielt bis heute eine wichtige Rolle im Prozess der gegenseitigen Annäherung und der Vertrauensbildung als Basis für Kooperation. Der damalige Bevollmächtigte des Rates der EKD, Martin Dutzmann, der 2017 auch an der genannten Veranstaltung teilgenommen hatte, brachte deren Ergebnisse in den Rat ein. Das Interesse für das auch in der Evangelischen Kirche lange vernachlässigte Thema Antiziganismus wuchs - und plötzlich ging es dann sehr schnell: Im August 2020 besuchten Vertreter*innen der EKD und des Zentralrats der Juden gemeinsam mit Sinti und Roma das Vernichtungslager Auschwitz und erinnerten an die Schoa und an den Völkermord an den Sinti und Roma. Kurz danach kam es dann zum ersten protokollarischen Besuch einer EKD-Ratsdelegation beim Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Die jetzt veröffentlichte Erklärung des Rates ist ein weiterer Meilenstein auf dem inzwischen gemeinsamen Weg, aber sicher nicht der letzte.

Inwieweit war die Evangelische Kirche in der Vergangenheit in Antiziganismus verstrickt und was muss geschehen, um dieses Erbe zu überwinden?

Auch wenn deutsche Sinti und Roma mehrheitlich Katholiken waren, ist Antiziganismus – das dringt immer mehr ins Bewusstsein - unbedingt auch ein Thema im protestantischen Milieu. Egal, ob - wie einige fordern - „Wahrheitskommissionen“ gebildet werden oder nicht: In jedem Fall müssen wir unsere Schuldgeschichte aufarbeiten. Dazu gehört zum Beispiel kirchengeschichtliche Forschung, inwieweit evangelische Einrichtungen in der NS-Zeit daran beteiligt waren, Kinder aus „unwerten“ Familien von Sinti und Roma herauszureißen. Die Verwicklung von diakonischen und anderen evangelischen Institutionen in antiziganistische Aktivitäten und Strukturen, auch vor der Zeit des Nationalsozialismus, muss beleuchtet werden. Kirchen haben dazu beigetragen oder sogar dafür gesorgt, dass Christinnen und Christen ermordet wurden!

Was passiert nun konkret, um weiter gegen Antiziganismus zu kämpfen?

Auf jeden Fall werden wir die Folge der gemeinsamen, hochrangig besetzten Gedenkgottesdienste fortsetzen – in diesem Jahr hat die Nachfolgerin von Martin Dutzmann, Anne Gidion, gepredigt. Es ist wichtig, das Gedenken an die Diskriminierung und Ermordung von Sinti und Roma in die kirchliche Gedenklandschaft aufzunehmen. Das muss und wird weitergehen. Das Netzwerk „Sinti, Roma, Kirchen“ versucht das in Zukunft auch an anderen Orten der Republik im Umfeld des 27. Januar umzusetzen.

Der Rat der EKD hat außerdem beschlossen, den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma politisch und gesellschaftlich stärker zu unterstützen. Ganz konkret könnte es dabei zum Beispiel darum gehen, sich dafür einzusetzen, dass Vertreter*innen des Zentralrates in Rundfunkräten stärker vertreten sind; auch die evangelischen Rundfunkräte werden weiter für das Thema Antiziganismus sensibilisiert. Denkbar sind außerdem Stipendien für Theologie studierende Sinti und Roma und die Kontaktaufnahme mit Sinti und Roma, die in Freikirchen organisiert sind.

Wir als Akademie werden das Thema Antiziganismus im Film weiter bearbeiten und die Darstellung von Sinti und Roma kritisch untersuchen. In diesem Zusammenhang sind auch Workshops mit Medienvertreter*innen und dem Netzwerk „Sinti, Roma, Kirchen“ geplant.

Christian Staffa ist Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche
und Antisemitismusbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Gedenkgottesdienst aus Anlass des Völkermordes an den Sinti und Roma während der Zeit des Nationalsozialismus

Empfohlener externer Inhalt: YouTube-Video

Erklärung der EKD zur Zusammenarbeit mit Sinti und Roma

Empfohlener externer Inhalt: YouTube-Video

Dr. Christian Staffa

Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche

Telefon (030) 203 55 - 411

2023 29 Jan

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