Schuldverstrickungen im Erinnerungsdiskurs
Buch zur Tagung „Vor lauter Schuld“
Schuldfragen sind auf vielfältige Weise mit jüdischem Leben in Deutschland verwoben. Sie behalten ihre Aktualität im gegenwärtigen Antisemitismusdiskurs. Schuldgefühle unter Jüdinnen und Juden – etwa die Überlebensschuld derer, die der Shoah entrinnen konnten, während ihre Verwandten ermordet wurden – treffen auf eine nach 1945 in der Bundesrepublik Deutschland einsetzende Schulddebatte. Diese fragte zum einen nach einem angemessenen Umgang mit der Schuld gegenüber Juden, brachte aber zum anderen auch die Rede vom „Schuldkomplex“ der Deutschen hervor, die der Schuldabwehr dient und „die Juden“ bzw. „die Israelis“ erneut beschuldigt.
Der Vernichtungswille gegenüber Jüdinnen, Juden und jüdischem Leben hat Dimensionen der Schuld hervorgebracht, die nicht abgetragen, wohl aber zur Verantwortungsübernahme für gegenwärtige und künftige Vorkommnisse herangezogen werden können. Doch was bedeutet es für den sozialen Zusammenhalt der Generationen und Religionen, wenn das Bewusstsein kollektiver Schuldverstrickung verblasst?
Diese und andere Fragen standen im Mittelpunkt einer Tagung, die die Evangelische Akademie zu Berlin im Mai 2023 gemeinsam mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland in Frankfurt am Main ausrichtete. In den Blick wurde dabei auch die Frage genommen, inwiefern ein reflektierter Umgang mit Schuld in einer Gesellschaft zu ethischen Transformationsprozessen führen kann. Die Vorträge dieser Tagung liegen nun als Buch vor, das in der Schriftenreihe der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland im Hentrich & Hentrich Verlag erschienen ist. Es enthält Beiträge von Saskia Fischer, Anne Gidion, Yemima Hadad, Sara Han, Katharina von Kellenbach, Daniel Neumann, Michael Penzold, Bianca Patricia Pick, Gesine Schwan und Julian-Chaim Soussan.
Erschienen am 02.10.2024
Aktualisiert am 02.10.2024