In guter Verfassung
Warum starke Institutionen keine Diktatur der Eliten sind
Trotz zahlreicher Skandale durch antidemokratische und verfassungsfeindliche Aktivitäten auf kommunaler, nationaler und europäischer Ebene scheinen die selbsternannten Alternativen, wie auch immer sie heißen, für viele Menschen immer noch wählbar. In schwierigen Zeiten gibt es ein starkes Bedürfnis nach Kontrolle und einfachen Antworten. Das zeigt sich in der oftmals irrationalen Zustimmung zu autoritären und institutionsfeindlichen Bewegungen und Parteien. Irrational ist diese Zustimmung deshalb, weil die Ziele dieser Bewegungen und Parteien in der Regel auch ganz direkt den Interessen derjenigen widersprechen, die ihnen das Vertrauen schenken.
Christoph Maier, Direktor der Evangelischen Akademie in Wittenberg, mahnt allerdings auch zur Gelassenheit und hebt hervor, dass sich jetzt zeigen werde, „dass wir starke Institutionen haben und sprichwörtlich in guter Verfassung sind. Freiheit und Mitbestimmung durch starke Repräsentanz, das sind die Werte, die sich durchsetzen werden und darauf können wir ganz unaufgeregt vertrauen. Vertrauen können wir in das Grundprinzip der Subsidiarität und vertrauen können wir auf den zwanglosen Zwang des guten Arguments. Dazu wird es von der Zivilgesellschaft zweierlei brauchen – auch nach der Wahl: Geduld und Beharrlichkeit.“
Daran müsse man immer wieder erinnern und dem eigenen Bedürfnis nach zu starker Kontrolle widerstehen. Starke Institutionen bedeuteten eben nicht notwendigerweise mehr Kontrolle und mehr Bürokratie. Hier gelte es, das rechte Maß zu finden und zu halten. Jörg Herrmann, Direktor der Evangelischen Akademie in Norddeutschland, erinnert an die wichtige Funktion der europäischen Institutionen: „Wir brauchen Europa in diesen Krisenzeiten mehr denn je. Damit die Demokratie stark bleibt und alles für den Frieden getan wird. Damit es mit dem Klimaschutz vorangeht und mehr soziale Gerechtigkeit verwirklicht wird.“ Dafür können am Wochenende in Deutschland erstmals auch Jugendliche ab 16 Jahren stimmen. In der gesamten EU sind mehr als 400 Millionen Bürgerinnen und Bürger in 27 Staaten zur Wahl aufgerufen.
„Jede Stimme zählt. Sie kann Europa barmherziger machen. Jede Stimme für eine demokratische Partei ist ein Schritt auf dem Weg hin zu einem Europa der Bürgerinnen und Bürger, in dem das gemeinsame Haus eines Tages wichtiger ist als nationale Interessen,“ führt Jörg Herrmann aus und fordert: „Gehen wir die Demokratie verteidigen, mit einem langen Atem und Vertrauen in ihre Möglichkeiten, Gutes für alle hervorzubringen. Verhindern wir, dass Europa weiter nach rechts rückt!“
Im Wahljahr 2024 debattieren die Direktoren und die Direktorin der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland monatlich in einem Fachgespräch mit Wissenschaftlerinnen, Medienvertretern und Theologen über den Umgang mit antidemokratischen gesellschaftlichen Tendenzen. Die Essenz dieser Gespräche veröffentlichen die Akademien als gemeinsame Stellungnahmen zur Demokratie.
Erschienen am 05.06.2024
Aktualisiert am 10.06.2024