Wer wollen wir sein?

Wer wollen wir sein?

Flüchtlingsschutzsymposium im Zeichen von Debatten über restriktivere Asylpolitik

© Christoph Dreyer / EAzB

Zwei Jahre, nachdem im spanischen Melilla im Jahr 2022 viele Flüchtende bei dem Versuch, von Marokko aus die Grenze zur Europäischen Union zu überwinden, starben oder kollektiv abgeschoben wurden, hat sich die Situation für Geflüchtete nicht verbessert. Europa schottet sich ab, Fluchtwege werden versperrt, die EU lagert Verantwortung durch Abkommen mit Autokraten aus. Die Beschlüsse zum Asylrechtssystem verschärfen die Situation, es gibt mehr Pushbacks, mehr Gewalt, mehr Inhaftierungen, weniger Zugang für Helfende. Das Völkerrecht wird zunehmend missachtet und gebrochen.

Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse fand das 24. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz statt , das die Evangelische Akademie zu Berlin jährlich gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Partnern wie UNHCR Deutschland, Amnesty International, Pro Asyl, dem Deutschen Roten Kreuz, dem Paritätischen Gesamtverband und dem Büro der EKD-Bevollmächtigten ausrichtet. In diesem Jahr stand das Symposium unter dem Thema „Flüchtlingsschutz unter Druck. Wie verteidigen wir das Recht auf Asyl?".

Akademiedirektorin Friederike Krippner machte darauf aufmerksam, dass derzeit über 117 Millionen Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen. Die Gründe dafür sind vielfältig, wie Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, auflistete: zunehmende bewaffnete Konflikte wie im Sudan, Vertreibungen, Hungerkatstrophen, Umweltzerstörung und Klimawandel. Gleichzeitig ist eine wachsende Menschen- und Demokratiefeindlichkeit in Staaten zu beobachten, die eigentlich Schutz und Zuversicht für Geflüchtete bieten sollten. Duchrow fragte daher, „Wer wollen wir sein?" Der Flüchtlingsschutz sei schließlich essenzieller Bestandteil unserer Demokratien und werde derzeit von rassistischen Kräften angegriffen. Daher forderte Duchrow, eine „Politik der Menschenrechte ins Zentrum zu stellen". Doch wie kann dies gelingen, wenn Ausgrenzung, Abschottung und Exklusion tief in die demokratische nationalstaatliche Ordnung eingeschrieben sind, wie Donatella Di Cesare, Professorin der Sapienza Università di Roma, aufzeigte. Für Flüchtlinge sei durch den Nationalstaat „in der Weltordnung keinerlei Platz vorbehalten", sodass Geflüchtete „keinerlei Zuflucht mehr finden". Der Nationalstaat versuche zwar, „Migration zu normalisieren. Wo ihm das nicht gelingt, liefert er die Geflüchteten den Übergangszonen und Internierungslagern aus", so Di Cesare weiter.

Dieser philosophischen Einschätzung folgte eine rechtliche Einordnung über Drittstaaten-„Lösungen". Pauline Endres de Oliveira, Professorin für Recht und Migration an der Humboldt Universität zu Berlin, zeigt die unterschiedlichen Konzepte von „sicheren“ Drittstaaten und Drittstaatenkooperationen auf. Im Kern zielen diese auf Zugangsverhinderung sowie Abschiebung und Auslagerung der Verantwortung für Asylverfahren. Dadurch kommt es zu Menschenrechtsverletzungen durch rechtswidrige „Pullbacks“ und Inhaftierungen. Das Schutzniveau in Drittstaaten ist meist nicht gegeben: „Menschenunwürdige Unterbringung, kein Zugang zu fairen Verfahren und fehlender Rechtsschutz kommen hinzu“, so Endres de Oliviera.

Der zweite Tag des Symposiums startete mit einem Grußwort von Anne Gidion, Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die auf die Verantwortung für geflüchtete Menschen hinwies und gleichzeitig eine demokratische Diskussion und die engagierte Arbeit der Aktiven im Flüchtlingsschutz bekräftigte. Gerade weil Flüchtlingsschutz sowohl politisch als auch gesellschaftlich unter Druck geraten ist, wurde im folgenden Panel der Wert des Asylverfahrens betont. Hier waren sich Anwält*innen, Richter*innen und Berater*innen einig. Richterin Caroline Dörr würde sich mehr Publikum bei öffentlichen Gerichtsverhandlungen zu Asylbescheiden wünschen, um mehr Empathie und Verständnis für geflüchtete Menschen und ihre Fluchtbiografien in der Gesellschaft zu wecken.

Der Bericht unseres Studienleiters Oliver Schmidt ist zuerst in der evangelischen Wochenzeitung "Die Kirche" erschienen (Nr. 29/2024 vom 14. Juli 2024). Wir veröffentlichen ihn hier mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

2024 24-25 Jun

Symposium

Französische Friedrichstadtkirche

Flüchtlingsschutz unter Druck. Wie verteidigen wir das Recht auf Asyl?

24. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz

Deutschland und Europa tragen eine verbindliche Verantwortung für den Schutz geflüchteter Menschen. Zunehmende Unterstützung für demokratie- und menschenfeindliche Positionen stellt dieses Verständnis allerdings in Frage. Um eine gerechte und… weiter

Dr. Max Oliver Schmidt

Studienleiter Migration und Europa

Telefon (030) 203 55 - 588

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