„Die Verdrängung der NS-Zeit hat ihn sehr gestört“

„Die Verdrängung der NS-Zeit hat ihn sehr gestört“

Ein Gespräch über den Jazzpionier Coco Schumann

© Emilio Esbardo (CC BY-SA 4.0) via Wikimedia Commons

Coco Schumann im Jahr 2012

Mit einer musikalischen Biografie erinnern wir kurz vor dem 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau an Coco Schumann (1924-2018). Der Hamburger Gitarrist Alexander Kranich stand mit dem Jazzmusiker und KZ-Überlebenden in dessen letzten Lebensjahren in Kontakt. In diesen Tagen erscheint von ihm das Album Tribute To Coco Schumann für das er einige von Schumanns Kompositionen rekonstruiert hat.

Warum sollte man sich heute noch mit Coco Schumanns Musik beschäftigen?

Sie ist ein Stück deutsche Jazzgeschichte. Coco war der erste deutsche E-Gitarrist und an den ersten Modern-Jazz-Aufnahmen beteiligt. Es gibt unglaublich schöne Kompositionen von ihm. Da er keine Noten lesen konnte, hat er seine Stücke nicht aufgeschrieben. Wir haben sie von alten Schellackplatten transkribiert.

Wie sind Sie mit Coco und seiner Musik in Berührung gekommen?

Beim Kirchentag in Hamburg 2013 hielt Coco einen Vortrag über sein Leben. Das hat mich sehr beeindruckt. Später hat er mit seinem Quartett gespielt. Dort haben wir uns kennengelernt und blieben in Kontakt. Ich habe ihn während meines Studiums mehrfach in Berlin besucht.

Welche Rolle spielt Cocos Geschichte als Jude und KZ-Überlebender für Sie?

Coco hat immer klargestellt, dass er ein Musiker ist, der im KZ war, und kein KZ-Insasse, der Musik macht. Aber man kann ihm natürlich nicht ohne seine Geschichte begegnen. „Swing tanzen verboten“ stand im Dritten Reich an vielen Bars. Coco ließ sich davon nicht abschrecken, so sehr liebte er die Musik. Ohne die Band Ghetto Swingers im KZ Theresienstadt hätte er wohl nicht überlebt. Er sagte immer: „Ich bin nicht traurig, dass ich in Auschwitz war. Ich freue mich jeden Tag, dass ich rausgekommen bin.“ Das spiegelt sich auch in seiner Musik wider.

Wie ging Coco damit um, als Überlebender im Nachkriegsdeutschland aufzutreten?

Die Verdrängung der NS-Zeit in der deutschen Gesellschaft hat ihn sehr gestört. Daher ist er Anfang der 1950er Jahre nach Australien ausgewandert. Als Ur-Berliner bekam er aber rasch Heimweh, kehrte zurück und schwieg lange Zeit über seine Geschichte. Wir haben uns oft darüber unterhalten, ob sich so etwas wiederholen könne, und Coco meinte: Ja.

© Frank Nikisch | Alexander Kranich

Alexander Kranich mit Gitarre

Wie kam es dazu, dass Sie heute Cocos Gitarre besitzen?

Einen Tag vor einem Konzert in Hamburg erreichte mich über den Veranstalter die Anfrage, ob ich Cocos Gitarre spielen möchte. Natürlich wollte ich! Ich bekam sie fünf Minuten vor dem Auftritt und musste sie danach wieder abgeben. Für ein paar Konzerte Anfang 2024 fragte ich, ob ich die Gitarre nochmal ausleihen könne. Ich bekam dann einen Anruf, man habe sich überlegt: Das Instrument soll gespielt werden und nicht im Museum stehen!

Der Hamburger Jazzgitarrist Alexander Kranich tritt mit Big Bands und seinem eigenen Quintett auf. Ende Januar erscheint sein Album „Tribute To Coco Schumann“ mit Kompositionen des Berliner Jazzpioniers und Auschwitz-Überlebenden (1924-2018).

© Frank Nikisch

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Dr. Christian Staffa

Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche

Telefon (030) 203 55 - 411

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