Lösungsansätze für die Landwirtschaft
Denkanstöße zur aktuellen Agrarpolitik | Reihe: Birnbäume für Brandenburg
Die Proteste der Landwirte im Blick auf die verschärften Anforderungen der Europäischen Union sind kaum verklungen, viele Probleme bleiben. Der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Ostprignitz-Ruppin, Hans Heinrich Grünhagen, hat skizziert, wo aus seiner Sicht die Probleme liegen und wie ein Ausweg aus der Krise aussehen könnte:
I. Kurzer Überblick zur Geschichte der Landwirtschaftspolitik von EU und Bund
Um die Proteste der letzten Zeit zu verstehen, muss man tiefer in die EU-Geschichte eintauchen. Landwirtschaftspolitik ist fundamental fast seit Anbeginn untrennbar mit der EU verbunden. Es ist der einzige Politikbereich, welcher in der Hauptsache von der EU geregelt und bezahlt wird.
1955 wurde in Deutschland ein Landwirtschaftsgesetz beschlossen, um den Hunger nach dem 2. Weltkrieg zu bekämpfen und gleichzeitig die Einkommenssituation in der Landwirtschaft zu verbessern.
In den 60er Jahren beschlossen die politisch Verantwortlichen der Europäischen Gemeinschaft (EG), den Bereich Landwirtschaft gemeinsam zu regeln. Mit einem Landwirtschaftsgesetz in Deutschland und einer Gemeinsamen Agrarpolitik auf EG-Ebene (GAP) versuchte man durch direkte Einflussnahme die Produktion zu steigern. Aufkaufpreise für landwirtschaftliche Produkte wurden vorgegeben. Überproduktion wurde eingelagert. Dies führte zu einer rasanten Steigerung der Produktivität.
Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die Düngung, der technische und züchterische Fortschritt führten zu immer noch höheren Erträgen. In der Folge konnten die teuer produzierten Waren nicht mehr kostendeckend auf dem Weltmarkt verkauft werden. Mit subventionierten billigen Exporten wurde dann auch der eine oder andere heimische Markt in Entwicklungsländern zerstört.
Mit der EU-Erweiterung sollte die GAP angepasst weitergeführt werden. Es wurden feste Prämien für die Flächen eingeführt. Gleichzeitig stand die EU durch den Einfluss der Umweltorganisationen unter Druck. Es war klar, dass ein Einkommen bei Produktion zu Weltmarktpreisen unter den besonderen Bedingungen und Kosten in Europa ohne Unterstützung nicht zu erreichen war. (Das ist bis heute so.)
Zunehmend gewannen Nichtregierungsorganisationen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland BUND, der Naturschutzbund Deutschland NABU, der World Wide Fund for Nature WWF und andere an Einfluss. Die intensive Landwirtschaft war nun nicht mehr das Ziel der gemeinsamen EU-Agrarpolitik. Das Thema Umwelt ist heute vor die Nahrungsmittelversorgung gerückt und so findet es sich auch in der aktuellen Agrarpolitik wieder. Ein zunehmend großer Anteil der Unterstützung wird an immer neue Auflagen im Bereich Naturschutz geknüpft.
Der Kürzung der Grundprämie um 40 % verschärfte vor zwei Jahren die Anforderungen an die Landwirtschaft. Dadurch sind Landwirte gezwungen, einen fast undurchschaubaren Wust an Gesetzen, Vorschriften und Verordnungen zu erfüllen, um annähernd die gleiche Fördersumme zu erhalten.
Der Frust bei den Bauern ist riesengroß! Niemand, nicht mal die Verantwortlichen in den zuständigen Ministerien, können heute noch darstellen, was eigentlich gilt. Zum Teil widersprechen sich Auflagen und Gesetze.
Das Fass ist übergelaufen und ich bin mir sicher, wenn die Politik hier nicht neue Konzepte vorlegt, dann werden diese Proteste wieder aufflammen und europaweit fortgesetzt werden. Im Moment sind diese ziemlich zum Erliegen gekommen, einfach weil die Landwirte sich jetzt um ihre Frühjahrsbestellung kümmern müssen.
II. Konzepte und Lösungsansätze
- Zunächst einmal vorweg: Über welche Größenordnung sprechen wir, wenn wir über landwirtschaftliche Nutzfläche reden? Im EU-Haushalt sind ca. 6 Mrd. € für die deutsche Landwirtschaft vorgesehen. Weitere 1,9 Mrd. € fließen aus dem Bundeshaushalt in die Landwirtschaft. Zusammen macht das 7,9 Mrd. €. Würde man dieses Geld gleichmäßig auf alle Acker -und Grünlandflächen in Deutschland aufteilen, so wären das ca. 440 €/ha und Jahr. Tatsächlich erhalten die Landwirte pro Hektar jedoch nur 250 €. Den Rest bekommen NGOs und Verwaltungen. Landwirte brauchen höhere Prämien für ihre Flächen.
- Da die Landwirtschaft lange Zeit im Voraus und auch für zukünftige Generationen plant, fällt es immer schwerer, sich auf die Rahmenbedingungen durch die Politik zu verlassen. Landwirte brauchen verlässliche Rahmenbedingungen.
- Mit Auflagen und Gesetzen setzt die Politik Akzente, das ist legitim. Es gibt derzeit keine motivierende Entscheidungsfreiheit. Alles wird mit Zwang über Verordnungen durchgesetzt. Landwirte möchten aber wirtschaftlich selbstständig handeln können. Sie wollen nicht am Gängelband, sondern durch wissenschaftliche Erkenntnisse geführt werden. Dazu gehört ein freier Markt. Es gäbe keine Subventionen mehr, sondern die Leistung würde ordnungsgemäß nach Angebot und Nachfrage bezahlt.
- Für die Landwirtschaft gibt es kein Lieferkettengesetz, keine Überprüfung der Ware an der Grenze oder eine Rückverfolgung der Produktionsbedingungen. Landwirte müssen mehr oder weniger zu Weltmarktpreisen produzieren.
- Wenn in Europa besonders hohe Sozial-, Umwelt- oder Technikstandards gelten, müssen diese auch bei Importen von Nahrungsmitteln eingehalten und honoriert werden. Hierzu kann man Kommissionen aus Fachleuten bilden, welche sich über die Standards einigen und den Preis dafür festlegen. Produkte, die diese Standards nicht einhalten, dürfen nur mit Sonderauflagen vertrieben oder müssen mit entsprechenden Zollabgaben belegt werden. Für die Einhaltung der hohen europäischen Standards muss der Kunde auch bereit sein, einen höheren Preis zu zahlen.
- Für alle bisher kostenlosen Leistungen der Landwirte muss die Gesellschaft diesen ein wirtschaftliches Angebot unterbreiten. Die Landwirte könnten dann entscheiden, ob es für sie interessant ist. Ein kostendeckender Preis für Landschaftspflege, Landschaftsbildgestaltung, Artenschutz, CO2-Emission, Sauerstoffproduktion, Sozialstandards und gesunde landwirtschaftliche Erzeugnisse würde die Wertschätzung des Berufs Landwirt befördern. Die Landwirte könnten das umsetzen, was sich die Gesellschaft wünscht. Sie wären nicht mehr auf Subventionen angewiesen, sondern könnten frei entscheiden, welches Produktionsverfahren sie wählen möchten.
III. Kurz und knapp zum eigenen Landwirtschaftsbetrieb
Hans-Heinrich Grünhagen stammt aus einer traditionsreichen Landwirtschaft aus Niedersachsen. Er hat seinen Betrieb 1991 mit seiner Frau bei Wittstock neu gegründet. Heute arbeiten in dem Landwirtschaftsunternehmen 17 Mitarbeiter*innen und bewirtschaften 1800 ha.
Auf den Feldern und Wiesen wird sowohl konventionell, als auch BIO nach Naturlandrichtlinien produziert. Der Ackerbau des Betriebes befindet sich in Umstellung hin zu einer regenerativen Landwirtschaft, das heißt, es wird dem Boden eine viel größere Bedeutung zugemessen.
Erschienen am 17.05.2024
Aktualisiert am 28.05.2024