Mit seiner Freiheitsliebe übt dieses tschetschenische
Volk selbst auf die treuesten Untertanen Ihrer Majestät
einen schlechten Einfluss aus.
General Jermolow an den Zaren im Jahre 1818
Vor dem Beginn des Zweiten Tschetschenienkrieges im Oktober 1999 lebten in der kleinen Kaukasusrepublik knapp 750.000 Menschen. Nach Angaben des Internationalen Komitees „Opfer der Folter“ befinden sich seither 300.000 Menschen auf der Flucht, 130.000 Zivilisten wurden getötet, Tausende gelten als vermisst. Die monatelange Bombardierung der Zivilbevölkerung, die Einrichtung von Konzentrationslagern, die Übergriffe der russischen Soldateska, die Notsituation der Flüchtlinge – dies alles sind Indikatoren für eine fortdauernde humanitäre Katastrophe.
Die russische Regierung unter Präsident Putin legitimiert ihr gewaltsames Vorgehen als „Kampf gegen den Terrorismus“. Sie hat keinen Versuch unternommen, mit dem verständigungsbereiten Flügel der tschetschenischen Autonomiebewegung einen Kompromissfrieden auszuhandeln und dem Land eine Perspektive für den Wiederaufbau zu geben. Im Gegenteil – nach der Ermordung von Aslan Maschadow am 8. März dieses Jahres sind die Chancen für eine friedliche Beilegung des Konflikts weiter gesunken. Die Spirale der Gewalt droht zu eskalieren und auf den gesamten Nordkaukasus überzugreifen.
Ebenso bedrückend wie die materiellen und moralischen Zerstörungen des Krieges ist jedoch die Hinnahme dieser Entwicklungen durch den Westen. Die Regierungen scheinen ratlos und handlungsunfähig. Menschenrechtsorganisationen finden nur wenig politische Unterstützung mit ihrer Forderung, Russland auf seine Pflichten als Mitglied des Europarates hinzuweisen.
Wir wollen mit dieser Veranstaltung die Genese des nunmehr vier Jahrhunderte dauernden russisch-tschetschenischen Konflikts erörtern und einen weithin verdrängten Krieg ins Bewusstsein rufen. Vor allem aber wollen wir nach den Gründen für die resignative Zurückhaltung der deutschen und europäischen Öffentlichkeit fragen – in der Überzeugung, dass Schweigen schuldhafte Verstrickung bedeuten kann.
Dazu laden wir herzlich ein.
Ekkehard Maaß, Deutsch-Kaukasische Gesellschaft e.V.
Ludwig Mehlhorn, Evangelische Akademie zu Berlin
Montag, 7. November 2005
18.00 Uhr Begrüßung
Ludwig Mehlhorn
Tschetschenien – Krieg und Geschichte
Einführung in die historischen Hintergründe des russisch-tschetschenischen Konflikts
Ekkehard Maaß
„Schatten eines Blitzes“
Apti Bisultanov, tschetschenischer Dichter und Sozialminister, liest eigene Gedichte
Massacre en Tchechenie
Aus einem Film von Mylena Sauloy, Paris
19.30 Uhr Imbisspause
20.00 Uhr Fortgesetztes Schweigen
Warum gibt es keine adäquate Reaktion der russischen, der deutschen und der europäischen Öffentlichkeit auf die Kriegsverbrechen in Tschetschenien?
PODIUM mit
Apti Bisultanov
Hans-Christoph Buch, Schriftsteller
Rupert Neudeck, Gründer von Cap Anamur
Moderation: Ekkehard Maaß