3. Kreisauer Gedenkstättenseminar
Unterwerfung – Anpassung – Widerstand. Alltag in Diktaturen.
Ost-West-Europäischer Erfahrungsaustausch zur Praxis in Museen und Bildungseinrichtungen
Das Kreisauer Gedenkstättenseminar möchte Mitarbeitern aus Gedenkstätten, Initiativen und Institutionen sowie Personen, die sich um die Aufarbeitung der Vergangenheit bemühen, ein Forum bieten. Einen besonderen Stellenwert hat dabei die Vernetzung von ost- und westeuropäischen Ansätzen und Initiativen sowie die Betrachtung unterschiedlicher Unrechtsregime und ihrer Nachwirkungen. Um ein dichtes Gespräch zu ermöglichen, nehmen sich die einzelnen Seminare jeweils eines thematischen Schwerpunkts an und versuchen diesen in ausgewählten Ländern zu verdeutlichen. Anhand einer solchen beispielhaften Betrachtung können Strukturen herausgearbeitet werden, die die Seminarteilnehmer zu eigenen Beiträgen und Reflexionen anregen, auch anhand ihrer Erfahrungen in ihren Ländern. Dies hat in den letzten beiden Jahren zu sehr intensiven gemeinsamen Diskussionen geführt.
In diesem Jahr will sich das Seminar mit dem Thema „Alltag in Diktaturen“ beschäftigen, den Möglichkeiten und Grenzen des eigenen Handelns. Dies kann zu Unterwerfung und Kollaboration führen, aber auch zu Widerstand und der Erschaffung eigener zivilgesellschaftlicher Ansätze.
Die Arbeit in Gedenkstätten und an Erinnerungsorten sowie die kritische Reflexion der eigenen Geschichte sind immer eng verbunden mit einer Sensibilisierung und Stärkung der zivilgesellschaftlichen Ressourcen in einem Land. Voraussetzung hierfür ist jedoch das eigene Bewusstsein über die Möglichkeiten und Grenzen des eigenen Handelns.
Dieser Themenbereich soll zunächst an Beispielen aus den Ländern Ungarn und Rumänien verdeutlicht werden; Fallbeispiele, die sich anbieten für eine mehrschichtige und differenzierte Herangehensweise. Gleichzeitig möchte das Seminar das begonnene Netzwerk auch in diese Länder verstärken und den Seminarteilnehmern weitere Kontakte für eigene Projekte ermöglichen.
Einer allgemeiner gehaltene Einführung in das Thema aus zwei Positionen heraus folgt eine Verdeutlichung der Chancen und Grenzen des eigenen Handelns anhand des Umgangs mit der Diktatur in Rumänien. Der Schriftsteller István Eörsi, der an dem ungarischen Aufstand 1956 teilgenommen hatte, ist als kritischer Begleiter der politischen Entwicklung bekannt. Er wird aus seinen Beobachtungen berichten.
Das Beispiel Ungarn und die Präsentation zweier Museen in Budapest kann die gemeinsame Diskussion in der Frage unterstützen, wie sich Lebensläufe verändern im Übergang in ein anderes System. Sowohl das Holocaust-Museum als auch das Haus des Terrors haben das Problem der Kollaboration in das Konzept ihrer Ausstellungen einfließen lassen. Für den Blick auf das eigene Entscheidungspotentials in weniger dramatischen Perioden soll ein Blick in die Zeit der „Normalisierung“ unter János Kádár Anstoß geben.
Das Kreisauer Gedenkstättenseminar lädt ein zu einem gemeinsamen Gespräch und freut sich über Anregungen und Berichte aus Ihrer eigenen Arbeit.
Eine Kooperationsveranstaltung von:
Evangelische Akademie zu Berlin
Gedenkstätte Deutscher Widerstand / Forschungsstelle Widerstandsgeschichte
Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung
Mittwoch, 20. April 2005
nachmittags: Anreise
fakultativ: Rundgang durch die Begegnungs- und Gedenkstätte Krzyżowa (Kreisau)
Kaffee
18.00–19.00 Uhr: Abendessen
19.30 Uhr: Einführung in das Programm durch die Veranstalter, Vorstellungsrunde
anschließend geselliger Abend zum Kennenlernen und Austauschen
Donnerstag, 21. April 2005
7.45–9.00 Uhr: Frühstück
9.00 Uhr Einführung in das Thema:
„Gesellschaftliche und individuelle Handlungsoptionen“
Moderation: Bernd Florath (Berlin)
William Totok (Berlin): Thesen am Beispiel rumänischer Erfahrungen
Ludwig Mehlhorn (Berlin): Thesen am Beispiel deutscher Erfahrungen
anschließend Diskussion
11.00 Uhr Kaffeepause
11.30 Uhr Fortsetzung der Diskussion
13.00–14.30 Uhr Mittagspause, anschließend Kaffee
15.00 Uhr Rumänien 1989 – Freiheitskampf und Gewalterfahrung
Moderation: William Totok
Andrea Furtos – Widerstand und Gesellschaft –
Vorstellung der Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus in Sighet
Ioana Boca – Der zivilgesellschaftliche Ansatz der Gedenkstättenarbeit in Rumänien –
Vorstellung der Bürgerakademie
16.30 Uhr Diskussion im Plenum, u.a. mit einem Beitrag von Gino Rado und Adina Hornea, Revolutionsmuseum in Timisoara, Rumänien
18.00–19.00 Uhr Abendessen
19.30 Uhr Filmvorführung und Diskussion
Videogramme einer Revolution
Ein Film von Harun Farocki und Andrei Ujuca
und ein weiterer Film über den Umbruch in Rumänien 1989
Freitag, 22. April 2005
7.45–9.00 Uhr Frühstück
9.00 Uhr Kollaboration, Verweigerung, Mittun als Thema der Vergangenheitsbetrachtung – Beiträge der Teilnehmer/innen
Moderation: Anne Kaminsky
Irina Ostrowskaja, Memorial Moskau: Sowjetische Familie in den Jahren der kommunistischen Diktatur. Überlebensstrategien.
Wjaceslaw Artamonow, Butow: Alltagsleben neben einem Todeslager.
11.00 Uhr Kaffeepause
11.30 Uhr Irina Gerasimowa, Minsk:
Jüdischer Widerstand gegen Diktaturen in Belarus in den 40er bis 80er Jahren des XX Jhdt.
Viktor Feduszczak, Lviv:
Etappen des Unabhängigkeitskampfes der Ukraine in der Nachkriegszeit
13.00–14.30 Uhr Mittagspause, anschließend Kaffee
15.00 Uhr „Unterwerfung – Anpassung – Widerstand“
15.30 Diskussion im Plenum über den gesellschaftlichen Umgang mit Diktaturen in den unterschiedlichen Ländern
Beiträge von Prof. Dr. Matthias Pfüller und Kornelia Beer, Hochschule Mittweida-Roßwein
19.00 Uhr gemeinsames Abendessen im Restaurant „Fregatta“ im Eulengebirge
Samstag, 23. April 2005
7.45–9.00 Uhr Frühstück
9.00 Uhr Auswertungsrunde und Ideen für ein nächstes Mal
ab 11.00 Uhr Abreise