Seit 1992 findet einmal im Jahr an der Evangelischen Akademie zu Berlin eine Tagung mit Talmudstudium statt. Dieses wollen wir auch in diesem Jahr mit Chana Safrai (Jerusalem) und Michael Brocke (Duisburg) fortsetzen.
Wir werden einen Text aus dem Talmud-Traktat Synhedrin studieren, in dem es um Fragen aus der Welt des Gerichtshofes (griech. Synhedrion) geht. Recht und Gerechtigkeit Gottes und die Verpflichtung des Menschen, für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen, sind Themen, die Christentum und Judentum sowohl miteinander verbinden als auch voneinander getrennt haben. Christen polemisierten gegen das Judentum als “Gesetzesreligion", um das Christentum demgegenüber als "Gnadenreligion" hervorzuheben.
Unser Talmud Studium widmet sich in diesem Jahr einem Stück „Politischer Theorie“. Der Traktat bT Synhedrin 18a-22b beinhaltet die rabbinische Diskussion über Priester und Könige. Die Rabbinen fragen danach, inwiefern Hoherpriester und König in Israel an das Gesetz, an die Halacha, an die Tora, gebunden sind. Sind sie zuerst „Beamte“ oder zuerst Mitglieder der Gottesgemeinde?
Christliche Dogmatik formulierte bezogen auf Christus eine „Ämterlehre“. In den neutestamentlichen Schriften wurden Christus unter anderem auch die Titel „Hoherpriester“ und „König“ beigegeben. F.-W. Marquardt untersuchte die Jesus zugeschriebenen Ämter und die Brechung, die sie erfahren, wenn Jesus sie bekleidet. Unter Hinweis auf die Historizität der dogmatischen Konstitution, darauf, dass die Zeit, in der Jesus mit diesen Ämtern betraut wurde, Zeit des Exils Israels war, in der diese Ämter anderweitig nicht besetzt waren - stellt er die Frage: „Ob sich Jesus, gedeutet in so vielen Hoffnungsgestalten Israels... weiter lehren lässt, wenn sich herausstellen sollte, dass die ihm zugeschriebenen Ämter doch schon „besetzt“ und nicht mehr frei für ihn sind, - wenn sich zeigen sollte, daß das Judentum nicht bereit ist, sich mit der Gola abzufinden, - wenn es Anspruch auf eigene Entscheidung über die Besetzung der Ämter Israels erheben sollte.“
Wir laden Sie ein, auch alle, die neu mit dem Talmudstudium beginnen wollen, diese Fragen im Kontext der rabbinischen Diskussionen kennenzulernen und zu diskutieren.
Dr. Erika Godel
Evangelische Akademie zu Berlin
Dr. Dorothee von Tippelskirch
Evangelische Theologin und Psychoanalytikerin, Berlin
Freitag, den 16. Dezember 2005
17.00 Uhr Anmeldung
18.00 Uhr Abendgebet zum Schabbatbeginn
Abendessen
19.00 Uhr Begrüßung und Einführung
Dr. Erika Godel
19.15 Uhr Talmud-„bavli Sanhedrin 18a – 22b“
Prof. Dr. Chana Safrai und Prof. Dr. Michael Brocke
Samstag. den 17. Dezember 2005
8.30 Uhr Frühstück (für Übernachtungsgäste)
10.30 Uhr Lernen im Talmud, Textarbeit am Traktat
Prof. Dr. Chana Safrai und Prof. Dr. Michael Brocke
10.30 Uhr Kaffee- und Obstpause
11.00 Uhr Fortsetzung der Textarbeit
12.30 Uhr Mittagessen Kaffeetrinken
15.00 Uhr Fortsetzung der Textarbeit
18.00 Uhr Abendgebet für Schabbatausgang
Abendessen
19.30 Uhr Zeit für Gespräche
Sonntag, den 18. Dezember 2005
8.30 Uhr Frühstück (für Übernachtungsgäste)
9.15 Uhr Morgengebet
Dr. Dorothee von Tippelskirch
10.00 Uhr Kaffee- und Obstpause
10.30 Uhr Gespräch über den Talmud
mit Prof. Dr. Chana Safrai und Prof. Dr. Michael Brocke
12.30 Uhr Mittagessen und Ende der Tagung