Das Jahr 1945 bleibt ein Fixpunkt in der Geschichte, an dem sich biografische und kollektive Erinnerungen festmachen, die bis in die Gegenwart und in die Zukunft hinein wirken.
Krieg, Massenmord, Faschismus, Verlust von Angehörigen, von Heimat, von Hab und Gut, Befreiung, Bruch und Neubeginn haben tiefe Spuren im europäischen Gedächtnis hinterlassen.
Fragen nach kollektiver und individueller Mitverantwortung, nach Leid und Trauer über erlittene Verluste, nach Quellen von Lebenshoffnung und Wegen zur Versöhnung stellten und stellen sich für Frauen in anderer Weise als für Männer und für die noch lebende älteste Generation anders als für die Nachkriegskinder. Und sie stellen sich für Deutsche anders als für Angehörige anderer europäischer Staaten. Sie stellen sich auch anders für die Migrantengruppen, die Zuflucht, Arbeit, Sicherheit und eine neue Heimat in Deutschland suchen.
Die Nachkriegsgenerationen im bis 1990 geteilten Europa wuchsen nicht nur in verschiedenen politischen Systemen auf, sondern auch mit unterschiedlichen Erinnerungen, Erinnerungskulturen und Erinnerungspolitiken. Für das friedliche Zusammenwachsen Europas ist es daher notwendig, eine gemeinsame und Generationen übergreifende Auseinandersetzung mit den Tragödien und Katastrophen des 20. Jahrhunderts, insbesondere mit dem Nationalsozialismus und dem 2. Weltkrieg zu führen. Dialoge über das Geschehene und Erinnerte können uns helfen, Brücken von der Vergangenheit in die Zukunft zu bauen, um bei allen unterschiedlichen Perspektiven auf die Geschichte friedlich miteinander leben zu können.
Die Tagung führt Zeitzeuginnen aus Polen, Tschechien, Frankreich und Deutschland mit Angehörigen nächster Generationen zusammen, um ausgehend von den eigenen biografischen Erfahrungen und von vermitteltem „Wissen“ über die Kriegs- und Nachkriegszeit der Frage nachzugehen, in welcher Weise das Erinnern und die Weitergabe von individuell erlebter Geschichte zur Stärkung eines friedensethischen und menschenrechtsorientierten Engagements führen kann. Und wir wollen mit Migrantinnen und Migranten darüber ins Gespräch kommen, wie sie mit dem historischen Erbe des Einwanderungslandes konfrontiert werden und welche Rolle die jeweiligen historischen Erfahrungen bei der Integration spielen.
Dr. Marina Grasse, OWEN e.V., Berlin
Dorothea Höck, Evangelische Akademie Thüringen
Ulrike Poppe, Evangelische Akademie zu Berlin
Freitag, 10. Juni 2005
17.00 Uhr Anmeldung
18.00 Uhr Abendessen
19.00 Uhr Begrüßung und Einführung in die Tagung
19.15 Uhr Wie wird aus Geschichten Geschichte?
Biographische Erinnerung - Geschichte - Mythen
Andrea Zemskov-Züge, M.A., Universität Konstanz/St. Petersburg
Ende gegen 21.00 Uhr
Samstag, 11. Juni 2005
9.00 Uhr Erinnerung an Krieg und Nachkrieg
Interviews mit Zeitzeuginnen
Deutschland Ost
Dr. Felicitas Richter, geb. 1926 in Königsberg
Dr. Edith Ockel, geb. 1934 in Schneidemühl
Deutschland West
Gisela Stange, geb. 1929 in Berlin
Moderation: Dorothea Hoeck
10.30 Uhr Pause
11.00 Uhr Frankreich
Jaqueline Simon-Moncorge, Paris
Tschechische Republik
Anna Lorencová, geb.1927 in Brüx
Polen
Maria Joanna Rebajn, geb. 1921 in Stary Widzim
Moderation: Dr. Marina Grasse, Joanna Barelkowska, Owen e.V., Berlin
Was haben sie erlebt? Welche Bedeutung hatten ihre Kriegserlebnisse für ihr weiteres Leben? Wie sehen die unterschiedlichen Perspektiven auf Krieg und Nachkriegszeit aus, was ist vergleichbar, wie unterscheiden sich die Erfahrungen?
12.30 Uhr Mittagspause
14.30 Uhr Geschichte hat Europa gespalten – im Dialog über diese Geschichte kann Europa wieder zusammenwachsen
Vier Workshops zum intergenerationellen Gespräch mit den Zeitzeuginnen und jungen Erwachsenen
Einführung: Dorothea Hoeck
Teil I: Befragung der Älteren
Wie haben sie ihre eigenen Erinnerungen in der Erinnerungskultur ihres Landes wiedergefunden? Wie hat sich durch das über diese Zeit vermittelte Geschichtsbild die Beurteilung dessen, was sie erlebt haben verändert?
Wodurch unterscheidet sich die gesellschaftliche Verarbeitung dieser Ereignisse in Deutschland, in Tschechien, in Polen und in Frankreich?
Was haben die Zeitzeuginnen von ihren Erinnerungen weitergegeben und an wen?
Gibt es eine Botschaft, die sie an die nächste Generation vermitteln wollen?
Wie kann das Unterschiedliche und das Verbindende Eingang in ein europäisches Geschichtsbild finden?
16.00 Uhr Pause
Teil II: Auskünfte der Jüngeren
Wie kommt das Kriegs- und Nachkriegserleben der Frauen in Europa in unseren Geschichtsbildern vor? Was ist für die Nachgeborenen wichtig zu wissen und warum? Wie können diese Erfahrungen in unserer Gegenwart nutzbar gemacht werden in Hin blick auf eine aktive und verantwortliche Staatsbürgerschaft und auf ein waches, sensibles Engagement für den Schutz der Menschenrechte?
Moderationen: Dr. Annette Leo, Historikerin, Berlin
Dr. Marina Grasse, Dorothea Hoeck, Ulrike Poppe
18.00 Uhr Abendessen
19.00 Uhr Großmütter, Mütter, Töchter
Was die Töchter von den Müttern und die Enkel von den Großmüttern wissen
Elfriede Brüning, geboren 1910 in Berlin
Christiane Canale, geboren 1942 in Berlin
Jasmina Gomez-Barkhausen, geboren 1964 in Berlin (DDR)
Moderation: Ulrike Poppe
Ende gegen 21.00 Uhr
Sonntag, 12. Juni 2005
9.15 Uhr Andacht
Pfarrerin Dorothea Hoeck
10.00 Uhr Fremde Heimat – fremde Erinnerung?
Geschichtspolitik im Einwanderungsland
Einführung: Dr. Viola B. Georgi, Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“, Berlin
Gespräch:
Bosiljka Schedlich, SüdosteuropaKultur e.V. Berlin
Joanna Barelkowska, OWEN e.V.
Corinne Douarre, Berlin
Dr. Alena Wagnerowa-Köhler, Projekt „Frauengedächtnis“, Saarbrücken
Moderation: Elsbeth Zylla, Berlin
12.30 Uhr Mittagessen und Ende der Tagung