Berlin ist reich an Orten, die von Willkür und Repression des SED-Staates, von Entmündigung und Demütigung, von deutscher Teilung und dem damit verbundenen Leid zeugen. Und Berlin ist reich an Orten, an denen sich Freiheitswille, Protest und Widerstand entwickelt haben. Manche dieser Orte sind als öffentliche Gedenkorte ausgestaltet, an anderen erschließt sich deren Geschichte nur durch Eingeweihte. Was im öffentlichen Diktaturgedächtnis bewahrt werden soll ist Teil der ostdeutschen und gesamtdeutschen Identitätssuche. Dies zeigte sich besonders in den letzten Monaten, als in heftigen öffentlichen Debatten um die Zukunft der Lern- und Gedenkorte zur DDR-Geschichte gestritten wurde. Die Evangelische Akademie will einige der Konfliktlinien aufnehmen und in Verbindung mit Berliner Gedenkorten diskutieren.
In den Gestaltungskonzepten der Gedenkorte spiegeln sich gegenwärtige zeitgeschichtliche Bewertungen und Einordnungen wider, die dem andauernden, öffentlichen, geschichtspolitischen Diskurs unterliegen. Es geht um die Fragen, woran und mit welchem Ziel öffentlich erinnert werden soll. Wie können Machtmechanismen und Wirkungsweisen der SED-Diktatur begreifbar gemacht werden? Reicht es, nur Abscheu vor der diktatorischen Vergangenheit zu erzeugen? Wo liegen die Grenzen zwischen Überwältigungspädagogik, Nostalgieshow und historischer Aufklärung? Wie trivial darf, wie anspruchsvoll soll ein Denkort ausgestattet sein, um Bewohner und Gäste der Stadt zu erreichen? In wieweit werden die Debatten über das DDR-Geschichtsbild von ideologischen Richtungskämpfen, parteipolitischen Machtinteressen und Konkurrenzen um finanzielle und personelle Ressourcen bestimmt?
Die Tagung bietet eine Übersicht über die geschichtspolitischen Fragestellungen in der aktuellen Debatte und bietet Chancen, sich anhand verschiedener Gedenkkonzepte eine Meinung zu bilden. Wir werden die Gedenkorte aufsuchen, Ihnen Einführungen bieten und das Gespräch mit Fachleuten führen, die für verschiedene Positionen stehen.
Ulrike Poppe, Studienleiterin
Ev. Akademie zu Berlin
Freitag, 17. November 2006
19.00 Uhr Begrüßung und Einführung in die Tagung
Ulrike Poppe
19.20 Uhr „Deligitimierung des DDR-Systems“
Weichenstellungen für eine Gedenkkultur durch die Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages
Rainer Eppelmann, Ehem. Vorsitzender der Enquête-Kommission zur Aufarbeitung der Geschichte und der Folgen der SED-Diktatur
19.50 Uhr Historische Forschung und politische Interpretationsmacht
Anmerkungen zur aktuellen Gedenkstättendebatte
Prof. Dr. Klaus-Dietmar Henke, Historiker, Technische Universität Dresden
20.45 Uhr Erinnern, Gedenken, Lernen
Einführung in die Besichtigungstour
Dr. Martin Jander, Historiker, Berlin
21.15 Uhr Offener Abend
Samstag, 18. November 2006
9.30 Uhr Fahrt nach Lichtenberg
Busvortrag von Dr. Martin Jander
Denkmal zum 17. Juni 1953 in der Potsdamer Chaussee und am Finanzministerium, Neues Stadthaus (Sprengung der letzten frei gewählten Stadtverordnetenversammlung 1948), Altes Stadthaus (Ministerrat der DDR), Karl Marx Allee (Stalinallee), Ruschestraße (Ministerium für Staatssicherheit), Gudrunstraße (Gedenkstätte der Sozialisten).
10.30 Uhr Das Stasi-Gefängnis – Ort politischer Verfolgung und Justizwillkür
Führung durch die Gedenkstätte Hohenschönhausen
12.00 Uhr Zeitzeugen als Gedenkstättenführer
Gespräch mit den Besucherreferenten
12.15 Uhr Geschichtsrezeption am authentischen Ort
Gespräch mit Dr. Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte
13.00 Uhr Mittagessen
14.00 Uhr Fahrt nach Berlin-Mitte
Busvortrag: Auferstehungskirche („Frauen für den Frieden“), Bartholomäuskirche (Friedensbibliothek und Antikriegsmuseum)
14.30 Uhr Die Mauer als Monument der Machtsicherung
Führung durch die Gedenkstätte Berliner Mauer
16.00 Uhr Gedenkandacht für die Todesopfer an der Berliner Mauer
in der Versöhnungskapelle auf dem Mauerstreifen
16.30 Uhr Gedenken an die Opfer
Gesamtkonzept zur Erinnerung an die Berliner Mauer
Gespräch mit Manfred Fischer, Pfarrer der Versöhnungsgemeinde, Verein Berliner Mauer
17.30 Uhr Fahrt nach Schwanenwerder
Busvortrag: Zionskirche (Umweltbibliothek, Ereignisse 1987/88), Gethsemanekirche (Olof-Palme-Protestmarsch 1987, Mahnwachen, Straßenschlachten im Oktober 1989), Husemannstr. (Kinderladen 1980-83), Biermann-Haus, Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland, Emil-Fischer-Hörsaal, (Havemann-Vorlesungen), Wirtschaftsministerium (ehemaliges Oberstes Gericht), Grenzwachturm und Gedenkstein für Günter Litfin
19.00 Uhr Abendbrot
20.00 Uhr Geschichtsbild DDR und Berliner Gedenkorte
Woran wollen/sollen sich die Menschen in der Stadt erinnern?
Auswertung der Tagestour
21.00 Uhr Offener Abend
Sonntag, 19. November 2006
9.00 Uhr Andacht in Schwanenwerder
9.30 Uhr Fahrt nach Berlin-Mitte
10.15 Uhr „Alltag eines vergangenen Staates zum Anfassen“
Führung durch das DDR-Museum
11.30 Uhr Gesprächsrunde im Berliner Dom
Was ist DDR-Alltag?
Zur Darstellung alltäglicher Diktaturerfahrungen
Dr. Stefan Wolle, Wiss. Leiter des DDR-Museums, Berlin
Prof. Dr. Rainer Eckert, Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig
Regina Mönch, Journalistin, FAZ, Berlin
Prof. em. Dr. Reinhard Rürüp, Historiker, ehem. Direktor der Stiftung Topografie des Terrors, Berlin
Moderation: Ulrike Poppe
13.30 Uhr Ende der Tagung