Liebe Freunde der brandenburgischen Exkursionen,
die nächste Exkursion führt uns über die Landesgrenzen hinweg nach Sachsen-Anhalt. Einem lange gehegten Wunsch entsprechend werden wir die Städte Halberstadt und Quedlinburg besuchen und uns mit der Problematik ihrer städtebaulichen Entwicklung in der DDR und in den Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung vertraut machen. In Halberstadt wollen wir zusätzlich den Spuren der bis ins 13. Jahrhundert zurückreichenden Geschichte der jüdischen Gemeinde folgen.
Halberstadt und Quedlinburg - zwei bedeutende mitteldeutsche Fachwerkstädte, organisch und unverwechselbar über die Jahrhunderte gewachsen, eingebettet in eine einzigartige Kulturlandschaft. Nur eine kurze Eisenbahnstrecke voneinander entfernt, haben sie in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg städtebaulich eine sehr unterschiedliche Entwicklung genommen und sehen sich jetzt in gewisser Weise wieder vereint in dem Bestreben, unter neuen Prämissen mit den überkommenen Pfunden zu wuchern. Dafür sind die Bedingungen einerseits gut wie lange nicht: seit 1989/90 gilt die Stadterhaltung als erklärtes Ziel der Städtebaupolitik, Fördermittel zur Stadterhaltung und –entwicklung fließen in beträchtlichem Umfang, Möglichkeiten der Motivation und Sensibilisierung der Bürger sind gegeben. Auf der anderen Seite wirken regionale Wirtschaftsschwäche, divergierende und kollidierende Interessen von Eigentümern, Bewohnern, Denkmalpflegern, Investoren, Stadtplanern und Politikern.
Halberstadt, seit dem frühen Mittelalter wirtschaftlicher und kultureller Mittelpunkt des nördlichen Harzvorlandes, kann auf eine fast 1200jährige Geschichte zurückblicken. Hervorragende Kirchenbauten geben der einstigen Bedeutung der alten Bischofsstadt noch heute sichtbaren Ausdruck und bilden Schwerpunkte der "Straße der Romanik".
Vor den Kriegszerstörungen im April 1945 war Halberstadt eine der schönsten Fachwerkstädte Deutschlands mit einem der besten Ensembles niedersächsischen Fachwerks. Nach den Kriegsverlusten blieb auch der restliche Bestand, immerhin noch fast die Hälfte der Fachwerkbauten, nicht verschont. Mangelwirtschaft in der DDR, ideologisch geprägte Planungen und deren Umsetzung boten sehr begrenzte Erhaltungsmöglichkeiten, und Verfall, Leerzug und weiteren Verfall bis zum Flächenabriss als unumkehrbare Konsequenz waren die Folge. Zur Zeit der politischen Wende gab es noch 447 Fachwerkgebäude, baufällig, oft unbewohnbar, schlecht gepflegt.
Wie in anderen ähnlich betroffenen Städten war auch in Halberstadt der weit fortgeschrittene Stadtverfall offensichtlichstes Signal für den notwendigen Wandel. Couragierte Bürger setzten Zeichen gegen Abriss- und Plattenbaupolitik und gaben mit ihren Aktivitäten und Konzepten wesentliche Impulse zur Rettung ihrer Stadt und für eine politische Neuorientierung, die sie mit Tatkraft und Engagement mitgetragen haben.
Quedlinburg mit seiner in ihrer Gesamtheit einzigartigen Siedlungsstruktur aus Alt- und Neustadt, Westendorf, Schloßberg und Münzenberg geht auf die Ottonische Zeit zurück Die besondere Eigenart der Stadt prägen wertvolle Einzeldenkmale und der vollständig erhaltene mittelalterliche Stadtgrundriss mit zahlreichen Fachwerkbauten. Die Innenstadt mit über 1.200 Fachwerkhäusern aus sechs Jahrhunderten gilt als Denkmal von Weltrang. In dieser Größenordnung – Fachwerk in der Alt- und Neustadt auf fast 1,5 km Weglänge – ist in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Krieg keine Stadt als Ensemble erhalten. Anders als Halberstadt blieb Quedlinburg von Kriegszerstörungen weitgehend verschont und hat auch über die für viele Altstädte zerstörerischen DDR-Jahre hinweg seinen Charakter bewahren können, immer in seinem Weiterbestand stark gefährdet. Dank des hohen Denkmalwerts und des Einsatzes verantwortungsvoller Personen und Institutionen, entgegen allen andersgearteten Planungen und Vorstellung, blieb die Stadt erhalten, wenn auch in zunehmend desolatem Zustand.
Dieser Substanz und ihrer Erhaltung verdankt die Stadt heute ihre weltweite Bedeutung. 1994 wurde Quedlinburg mit der Anerkennung als UNESCO-Weltkulturerbe gewürdigt.
Welche Probleme in der Stadterhaltung und –entwicklung zu bewältigen waren und sind, welche Erfolge die bisherigen Bemühungen hatten und haben, welche Aufgaben weiterhin anstehen und wie man sie zu lösen gedenkt – all dies ist mehr als genug Stoff für die wenigen Stunden, die wir zur Verfügung haben.
Wir laden Sie auch im Namen des Freundeskreises der Evangelischen Akademie zu Berlin herzlich zur Teilnahme ein.
Dr. Rüdiger Sachau
Evangelische Akademie zu Berlin
Helga Wetzel
Arbeitskreis Stadtpolitik
Samstag, 16. Juni 2007 in Halberstadt
07.10 Uhr ab Ostbahnhof mit dem Harzexpress HEX nach Halberstadt
07.36 Uhr ab Wannsee
10.13 Uhr an Halberstadt
Transfer mit der Straßenbahn zur Innenstadt/Haltestelle Holzmarkt
10.30 Uhr Treffpunkt am Rathaus, Roland
Einführung und Stadtrundgang
Herr Wolfram Staats, Stadtverwaltung, Fachbereich Stadtentwicklung
ab 13.30 Uhr freie Zeit für Mittagessen, Hotelanmeldung und individuelle Besichtigungen:
Dom und Domschatz, Liebfrauenkirche, Martinikirche, Literaturmuseum Gleimhaus, St. Buchardi mit dem John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt u.a.
16.00 Uhr Moses-Mendelssohn-Akademie mit Klaussynagoge im Rosenwinkel 18
Führung durch das jüdische Halberstadt,
Frau Helga Scholz, Moses-Mendelssohn-Akademie
Landart-Projekt auf dem ehemaligen Synagogengelände,
Olaf Wegewitz, Künstler aus Huy-Neinstedt
18.30 Uhr Gemeinsames Abendessen im Museums-Kaffee Hirsch der Moses-Mendelssohn-Akademie und anschließend Gesprächsrunde mit Mitgliedern der Halberstädter Bürgerbewegung
Übernachtung im Hotel Grudenhof bzw. Gästehaus Abtshof
Sonntag, 17. Juni 2007 in Quedlinburg
09.01 Uhr Abfahrt Bahnhof Halberstadt
09.18 Uhr Ankunft in Quedlinburg
09.30 Uhr Treffpunkt am Rathaus, Roland
Einführung und Stadtrundgang
Herr Rolf Langhammer, Stadt Quedlinburg, Fachbereichsleiter Bauen
ab 12.30 Uhr freie Zeit für Mittagessen und individuelle Besichtigungen:
Stiftskirche St. Servatius, Wipertikirche, Schloßmuseum, Lyonel-Feininger-Galerie, Klopstockhaus, Fachwerkbaumuseum, Stadtkirchen u.a.
17.43 Uhr Rückfahrt nach Berlin ab Bahnhof Quedlinburg mit HEX
20.37 Uhr Ankunft Berlin Ostbahnhof