Widerstand unterm Kirchendach

Tagung

Widerstand unterm Kirchendach

Der Anteil der Evangelischen Kirche an der 89er Revolution

Tagungsnr.
42/2008
Von: 21.11.2008 17:00
Bis: 23.11.2008 13:30
Ev. Bildungsstätte auf Schwanenwerder

Inhalt

In den 80er Jahren war eine Reihe neuer oppositioneller Gruppen entstanden, die zum Teil aus den evangelischen Gemeinden hervorgingen oder sich in den Räumen der Evangelischen Kirche formierten. Zudem bot die Kirche den Gruppen eine Möglichkeit, durch Veranstaltungen in ihren Gebäuden und auf ihren Grundstücken eine (Halb-) Öffentlichkeit zu erreichen. Das war auf den verschiedenen kirchlichen Ebenen nicht unumstritten, zumal dadurch das Staat-Kirche-Verhältnis erheblich gestört werden konnte. Durch Gemeindeanbindung suchten manche Gruppen Schutz vor staatlichen Übergriffen, gerieten aber auch zuweilen in Konflikt mit einer paternalistisch agierenden Kirchenobrigkeit. Die Evangelische Kirche war für die systemkritischen Initiativen aber auch mehr als ein Schutzdach und eine Plattform für ihr öffentliches Wirken. Biblische Bezüge wie die Verheißung des Propheten Micha: „Und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen … machen“ wurden zum Motto einer staatskritischen Friedensbewegung, die sich der Abschreckungslogik entzog und auch Menschen- und Bürgerrechtsfragen sowie die Bewahrung der Schöpfung ins öffentliche Blickfeld rückte. Inhaltlich gab es überwiegend Übereinstimmungen zwischen Kirche und Gruppen. Auf beiden Seiten musste allerdings ein Dauerkonflikt hinsichtlich der geeigneten Formen, wie gesellschaftliche Veränderungen erreicht werden können, ausgehalten werden.

Wie beurteilen wir heute, nach 20 Jahren, die Rolle der Evangelischen Kirche für die Entwicklung einer Widerstandskultur innerhalb staatsozialistischer Verhältnisse? Welchen Einfluss hatte sie auf Motivation, Inhalte und Ausdrucksformen der Protestbewegungen? Wie sind ihre Versuche, jede Provokation zu vermeiden, regimekritische Aktionen und offenen Protest auszubremsen und immer wieder das gute Einvernehmen mit dem Staat anzustreben, aus heutiger Sicht zu bewerten?

Ausgehend von diesen vergangenheitsbezogenen Fragen laden wir dazu ein, mit damals Beteiligten und heutigen kirchlichen und politischen Verantwortungsträgern darüber nachzudenken, wie politische Verantwortung der Evangelischen Kirche heute wahrgenommen werden kann.


Ulrike Poppe

Evangelische Akademie zu Berlin

Programm

Freitag, den 21. November 2008


17.00 Uhr Anmeldung


18.00 Uhr Abendessen


19.00 Uhr Begrüßung und Einführung

Ulrike Poppe, Ev. Akademie zu Berlin


I. KIRCHE IM SED-STAAT


19.20 Uhr Konfrontation und Kompromiss

in Verantwortung vor Gott und den Menschen

Die Evangelische Kirche in den letzten zwei Jahrzehnten der DDR

Dr. Christian Halbrock, Historiker, Abt. Bildung und Forschung der BStU, Berlin


anschließend: Diskussion


Ende gegen 21.00 Uhr


Sonnabend, den 22. November 2008


09.00 Uhr Morgenandacht

Pfarrerin Dr. Marianne Subklew-Jeutner


II. KIRCHLICHE FRIEDENSARBEIT


Gesprächsleitung:

Dr. Christian Sachse,Historiker, Theologe, Robert-Havemann-Gesellschaft, Berlin


09.30 Uhr „Frieden schaffen ohne Waffen“

Die kirchliche Unterstützung der Wehrdienstverweigerer

Bernd Rieche, Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden e.V., Bonn


„Schwerter zu Pflugscharen“

Friedensgruppen unter dem Dach der Evangelischen Kirche

Dr. Marianne Subklew-Jeutner, Arbeitsstelle "Gewalt überwinden" der Nordelbischen Kirche, ehem. Pankower Friedenskreis, Hamburg


„Den Kreis der Gewalt überwinden“

Frauen für den Frieden innerhalb und außerhalb kirchlicher Fürsorge

Heidi Bohley, ehemals Mitglied von „Frauen für den Frieden“, heute Zeitgeschichte(n)-Verein, Halle


11.00 Uhr Kaffeepause


11.30 Uhr „Frieden oder Burgfrieden“

„Frieden Konkret“ –

das DDR-weite Netzwerk der Ev. Kirche für oppositionelle Gruppen

Hans-Jochen Tschiche, Pfarrer i.R., Satuelle


12.00 Uhr Mittagspause


III. SAMMELBECKEN DER OPPOSITION ODER EINGRENZUNG DES PROTESTES?


Gesprächsleitung:

Dr. Götz Planer-Friedrich, Theologe und Journalist, Berlin


14.00 Uhr Das binnenkirchliche Protestpotential

Selbstverständnis, Berufspraxis, amtsinterner Meinungsbildungsprozess und Disziplinierung kirchlicher Mitarbeiter

Dr. Christian Halbrock, Historiker, Abt. Bildung und Forschung der BStU, Berlin


14.30 Uhr Anziehungskraft durch (begrenzte) Freiräume

Bildung, Kultur und Öffentlichkeit unterm Kirchendach


Die Bluesmessen: Zufluchtsort und Hoffnungsraum für Jugendliche

Dr. Dirk Moldt, Historiker, Berlin


„Nur für den innerkirchlichen Gebrauch“ – Publikationen jenseits staatlicher Zensur

Peter Grimm, ehem. Redakteur des „Grenzfall“, Berlin


Kirche als Öffentlichkeit: Die Leipziger Friedensgebete

Annegreth Strümpfel M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin, Promovendin,

Universität Karlsruhe


15.30 Uhr Kaffeepause


IV. FORMIERUNG DER OPPOSITION – LERNFELDER IN DER KIRCHE


Gesprächleitung:

Ulrike Poppe, Ev. Akademie zu Berlin


16.00 Uhr Solidarische Kirche als „Lernfeld für Demokratie“

Joachim Goertz, Pfarrer, Bartholomäusgemeinde, Berlin


Friedensseminare, Friedenswerkstätten und Kirchentage

Elke Westendorff, ehemals Mitglied von „Frauen für den Frieden“, heute Familientherapeutin, Arbeitersamariterbund im Landkreis Bad Doberan


Evangelische Akademien als „Schule der Verantwortung“

Marion Fleige, Theologin, Erziehungswissenschaftlerin, Humboldt-Universität Berlin


„Kirche von unten“ :

Gegen paternalistische Bevormundung durch Kirche und Staat

Reinhard Schult, Mitinitiator der „KvU“, z.Z. Mitarbeiter beim LStU, Berlin


Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung

Dr. h.c. Christof Ziemer, Pfarrer, ehem. Superintendent des Kirchenbezirks Dresden-Mitte, 1988 und 1989 Vorsitzender des Präsidiums der Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung


Runde Tische: Die Kirchen moderieren die Übergangsordnung

OKR i.R. Martin Ziegler, Pfarrer, ehem. Moderator des Zentralen Runden Tisches, Schildow


18.30 Uhr Abendbrot


V. KIRCHE UND REVOLUTION


19.30 Uhr Wie protestantisch war die Revolution?

Gerhard Rein, Journalist, Berlin


20.30 Uhr Offener Abend


Sonntag, den 23. November 2008


09.00 Uhr Andacht

Marion Fleige


09.30 Uhr Kaffeepause


09.45 Uhr Inspiration, Ermutigung und Zähmung

Die Evangelische Kirche als Hort widerständigen Verhaltens

Dr. Ehrhart Neubert, Theologe, Publizist, Erfurt


10.30 Uhr Pause


11.00 Uhr PODIUM

Die Rolle der Evangelischen Kirche im demokratischen Umbruch

…und was wir von ihr in der Demokratie erwarten

Almuth Berger, ehem. Pastorin der Bartholomäusgemeinde, Mitbegründerin von „Demokratie jetzt“, Berlin

Dr. Ehrhart Neubert, Theologe, Publizist, Erfurt

Prof. Dr. Dagmar Schipanski, Präsidentin des Thüringer Landtags, Erfurt

PD Dr. Anke Silomon, Historikerin, stellv. Vorsitzende der Gesellschaft zur

Förderung vergleichender Staat-Kirche-Forschung, Karlsruhe

Annegreth Strümpfel M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin, Promovendin,

Universität Karlsruhe


Moderation: Gerhard Rein, Journalist, Berlin


13.00 Uhr Mittagessen und Ende der Tagung

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Leitung

Ulrike Poppe

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