War der Fall der Mauer vor 20 Jahren unter anderem auch eine Folge des langen Prozesses des „Wandels durch Annäherung“? So hieß der Vortrag, den Egon Bahr 1963 in der Evangelischen Akademie Tutzing hielt. Mit seinen Thesen zur neuen Ostpolitik legte er den Grundstein für eine Entspannungspolitik, die ab 1969 unter Willy Brandt das deutsch-deutsche Verhältnis erneuerte. In beiden deutschen Staaten ermöglichte diese Politik menschliche Erleichterungen (Viermächte-Abkommen, Transitabkommen, Grundlagenvertrag 1972). Im internationalen Rahmen galt die Entspannungspolitik als unverzichtbare Voraussetzung zur Erhaltung des Friedens zwischen den beiden Blöcken. Allerdings nahm die Rüstung auf beiden Seiten weiter zu, bis Gorbatschow an die Macht kam.
Die demokratischen Dissidenten in Ostmitteleuropa kritisierten die menschenrechtliche Enthaltsamkeit der Entspannungspolitik. Milliardenkredite, Wirtschaftsbeziehungen und Häftlingsfreikäufe stabilisierten das kommunistische System, während die zaghafte „Öffnung“ durch den Ausbau von Kontakten, Reiseerleichterungen und den Austausch von Journalisten die Erosion beschleunigten.
Auf der Tagung wird der Frage nachgegangen, welchen Einfluss die zwischenstaatlichen Vereinbarungen im Rahmen der Entspannung auf die Machtverhältnisse im Ostblock hatten und in wieweit die Entspannungspolitik den Massenprotest und den Systemzusammenbruch begünstigte oder verzögerte.
Dazu laden wir herzlich ein.
Ulrike Poppe
Studienleiterin
Evangelische Akademie zu Berlin
Freitag, 20.11.2009
17.00 Uhr Anmeldung
18.00 Uhr Abendessen
19.15 Uhr Begrüßung und Einführung in die Tagung
Ulrike Poppe
19.30 Uhr "Ständige Vertretung. Meine Jahre in Ost-Berlin"
Lesung und Gespräch
Dr. Hans Otto Bräutigam, Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin von 1982 – Januar 1989
anschließend Diskussion
22.00 Uhr Offener Abend
Samstag, 21.11.2009
9.30 Uhr Verhandeln, Versöhnen, Annähern
Europa im Zeichen der Entspannung
Prof. Dr. Christoph Kleßmann, Historiker, Potsdam
10.30 Uhr Kaffeepause
11.00 Uhr Die neue Ostpolitik
Erfolge und Rückschläge in den Verhandlungen mit Moskau
Gespräch mit Dr.h.c. Klaus Schütz, Botschafter a.D.,
Regierender Bürgermeister von Berlin a.D., Berlin
Gesprächsleitung: PD Dr. Siegfried Heimann,
Historiker, Politikwissenschaftler, Berlin
12.30 Uhr Mittagessen
14.30 Uhr Gefährden Dissidenten den Entspannungsprozess?
Die SPD und die Solidarnosc
Dr. Helga Hirsch, freie Publizistin und langjährige Polen- Korrespondentin
u.a. für Die Zeit und Die Welt, Berlin
15.30 Uhr Kaffeepause
16.00 Uhr Wandel durch Annäherung – „Wandel durch Anbiederung“?
Die Beurteilung der Entspannungspolitik im politischen SAMISDAT Ostmitteleuropas
Dr. Wolfgang Eichwede, Historiker, Bremen
17.00 Uhr Wie ernst meint ihr es mit den Menschenrechten?
Was die Charta 77 vom Westen erwartet hat
Jan Šicha, Historiker, Ministerium für auswärtige Angelegenheiten der Tschechischen Republik, Prag
18.00 Uhr Abendessen
19.30 Uhr Korb III als „entspannungsfeindliche Menschenrechtsdemagogie“
Der Kampf um die Auslegung der KSZE
PD Dr. Douglas Selvage, Historiker, BStU, Berlin
Ende gegen 22.00 Uhr
Sonntag, 22.11.2009
9.15 Uhr Andacht zum Sonntag
10.00 Uhr Die Entspannungspolitik – Geburtshelfer der Revolution?
Thesen
Stephan Hilsberg, MdB, Gründer der SDP in der DDR, Berlin
10.30 Uhr PODIUMSGESPRÄCH
PD Dr. Siegfried Heimann
Stephan Hilsberg, MdB
Dr. Hans Otto Bräutigam
Freimut Duve, ehemaliger Beauftragter für die Freiheit der Medien der OSZE, Hamburg
Moderation: Alfred Eichhorn, Journalist, Berlin
12.30 Uhr Mittagessen und Ende der Tagung