Kirche und Zivilgesellschaft

Tagung

Kirche und Zivilgesellschaft

Engagement und Distanz

Tagungsnr.
33/2009
Von: 02.10.2009 10:00
Bis: 02.10.2009 17:00
Französische Friedrichstadtkirche

Inhalt

Kirche und Zivilgesellschaft – seit einigen Jahren initiieren die Veranstalter ein fruchtbares interdisziplinäres Gespräch über ein Verhältnis, das von Distanz und gegenseitiger Bezogenheit zugleich bestimmt ist. Da der Staat nicht das alleinige Gegenüber der Religionsgemeinschaften ist, ist die Debatte bewusst nicht auf „Staat und Kirche“ beschränkt worden. Umgekehrt würde eine Ausweitung auf „Religion und Gesellschaft“ die Wirksamkeit der Institution Kirche im gesellschaftlichen Kräftespiel unterschätzen.

Denn Kirchen sind zivilgesellschaftliche Akteure, sie handeln in sozialen Feldern, karitativ und diakonisch, sie bestimmen gesellschaftliche Debatten und prägen Wertehorizonte. Sie wirken transnational, und sie können Menschen ein- oder ausschließen. Ihre Praxis trägt zum Gelingen der Zivilgesellschaft bei. Zugleich stehen Kirchen aufgrund ihrer religiösen Orientierung in Distanz zur Gesellschaft. Die Beziehung zu Gott relativiert die Beziehungen zu den Menschen – und will sie zugleich aus anderen Quellen vertiefen.

Diese eigenwillige Beziehung von christlicher Kirche und Zivilgesellschaft wurde in vorangegangenen Tagungen wesentlich in historischer Perspektive untersucht. Dabei konnten sowohl die unterschiedlichen Eigenlogiken von Kirche und Zivilgesellschaft aufgezeigt werden als auch zahlreiche Verbindungen zwischen den beiden Größen nachgewiesen werden.

Ausgehend von einer kritischen Revision der bisherigen Ergebnisse soll die Verhältnisbestimmung weiter diskutiert werden. Dazu dienen zwei Beispiele: die Rolle der Kirche im politischen Umbruch von 1989/90 und in der gegenwärtigen Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus.

Was ist rückblickend zu lernen aus den Gebeten um Erneuerung, die im Vorfeld der friedlichen Revolution von 1989 in zahlreichen Kirchen in der ehemaligen DDR stattfanden? In dieser Zeit des Umbruchs waren die Evangelischen Kirchen entscheidende Kristallisationskerne des zivilgesellschaftlichen Engagements. Kirche stellte ein wesentliches Motivierungspotenzial dar und bot Raum zur Entwicklung von Engagement. Aber diese Funktion der Kirche endete mit dem erfolgten Umbruch.

Das zweite Beispiel nimmt eine aktuelle Aufgabe in den Blick. Derzeit sind alle Kräfte der Zivilgesellschaft, einschließlich der Kirchen, insbesondere in Ostdeutschland herausgefordert, sich bei der Prävention von Rechtsextremismus zu bewähren. Am Beispiel der Arbeit der Regionalzentren für demokratische Kultur, die im Auftrag der Evangelischen Akademie Mecklenburg-Vorpommern arbeiten, lassen sich Engagement und Distanz der Kirche als zivilgesellschaftliche Akteurin nachvollziehen. So setzen sich die Kirchen für einen friedlichen Dialog über die wirtschaftliche Krise und die sozialen Folgen – wie die zunehmende Arbeitslosigkeit – ein. Auch indem sie Gewalt in der Gesellschaft entgegentreten und in Konflikten vermitteln, dämmen sie nicht nur rechtsextreme Ideologien und Aktivitäten ein, sondern stärken zivilgesellschaftliche Werte, diesen entsprechende Handlungsformen und deren Träger.

Engagement und Distanz: Wir laden ein, im interdisziplinären Gespräch an der Verhältnisbestimmung von Kirche und Zivilgesellschaft mitzuarbeiten.


Dr. Rüdiger Sachau

Evangelische Akademie zu Berlin


Prof. Dr. Arnd Bauerkämper

Freie Universität Berlin


Prof. Dr. Jürgen Nautz

Universität Wien

Programm

10.00 Uhr Begrüßung

Dr. Rüdiger Sachau, Berlin


Zum Arbeitsprojekt „Kirche und Zivilgesellschaft“

Prof. Dr. Arnd Bauerkämper, Berlin

Prof. Dr. Jürgen Nautz, Wien


10.15 Uhr Kirche und Zivilgesellschaft – der Stand der Diskussion

Eine Einführung

Prof. Dr. Jürgen Kocka, Berlin


10.45 Uhr Diskussion


11.30 Uhr Pause


11.45 Uhr Kirche als zivilgesellschaftliche Kraft in der friedlichen Revolution

Das Beispiel: Die Gebete um Erneuerung in Leipzig 1989

Pfarrer Stephan Bickhardt, Markkleeberg


12.15 Uhr Diskussion


13.00 Uhr Mittagspause


14.00 Uhr Die zivilgesellschaftliche Aufgabe der Kirche in der Gegenwart

Das Beispiel: Ermutigung zu politischer Teilhabe als Prävention gegen Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern

Direktor Klaus-Dieter Kaiser und Mitarbeiter des Präventionsteams, Evangelische Akademie Mecklenburg-Vorpommern, Rostock / Bad Doberan / Stralsund


14.30 Uhr Diskussion


15.15 Uhr Kommentar zum Schluss

Rupert Graf Strachwitz, Maecenata Institut Berlin


16.00 Uhr Kaffeetrinken



Wir empfehlen zur Vorbereitung:

Tagungsbericht Christliche Kirchen und Zivilgesellschaft: Unabhängig oder verbunden? (20.-22.09.2007, Berlin) unter: http://www.eaberlin.de/KircheundZivilgesellschaft.pdf

(zuerst erschienen in: H-Soz-u-Kult, 27.02.2008, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/index.asp?id=1914&view=pdf&pn=tagungsberichte)



Das Buch zur Tagung erscheint im Oktober:

Arnd Bauerkämper / Jürgen Nautz (Hg.), Zwischen Fürsorge und Seelsorge. Christliche Kirchen in den europäischen Zivilgesellschaften seit dem 18. Jahrhundert, Campus Verlag, Frankfurt a. M. 2009.


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Leitung

Dr. Rüdiger Sachau

Akademiedirektor

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