Vorbedingungen, Verlauf und Ergebnisse der 89er Revolution sind von Menschen gestaltet und geprägt worden, die sich ihren eigenen Ideen von Freiheit und gerechtem Zusammenleben verpflichtet fühlten. Sie haben sich in der konkreten historischen Situation einer politischen Herausforderung gestellt.
In dieser Abendreihe werden wir einige dieser Persönlichkeiten vorstellen und sie nach ihren Motivationen und Erfahrungen befragen. Manche von ihnen sind heute noch in der Öffentlichkeit bekannt, andere sind in Vergessenheit geraten.
Wir bieten mit diesen Veranstaltungen eine Möglichkeit, Handlungsoptionen in der Umbruchzeit zu vergegenwärtigen und zu diskutieren. Vor allem aber wollen wir die ganz persönlichen, lebensgeschichtlichen Hintergründe beleuchten, auf denen die Entscheidung, politisch einzugreifen und mitzugestalten, herangereift war. Wir werden danach fragen, von welchen Vorstellungen von gesellschaftlicher Veränderung die jeweiligen Akteure damals ausgingen, was sie erhofft und angestrebt haben und wie sie ihre derzeitigen Erwartungen an Demokratie und Deutsche Einheit heute beurteilen.
Zu diesen Gesprächsabenden lade ich Sie herzlich ein.
Ulrike Poppe
Studienleiterin, Evangelische Akademie zu Berlin
Hoffnung und Glauben, Angst und Verzweiflung, Feigheit und Resignation, Anpassung und Gewöhnung - es war allzu menschlich, woraus die Mauer gebaut werden konnte und weshalb sie so lange erduldet worden ist. Keiner, der in sicherer Freiheit lebte, konnte uns, die Eingemauerten verstehen. Das wird eine Last bleiben für die Deutschen. Das sind Welten in uns, die uns trennen, auch wenn wir vereinigt sind.
[aus: Wo liegt euer Lächeln begraben? in: Der Eiserne Vorhang bricht, Hamburg, 1990, S.74-77]
Konrad Weiß
Dokumentarfilmregisseur, ehemaliges Mitglied der Volkskammer und des Bundestages, freier Publizist
im Gespräch mit Ulrike Poppe
am Dienstag, den 09. Juni 2009, 19 – 21 Uhr
1988 erschien in der Samisdat–Zeitschrift Kontext, ein Aufsehen erregender Artikel von Konrad Weiß: „Die neue alte Gefahr. Junge Faschisten in der DDR“. Mit der Behauptung, dass es im Real-Sozialismus eine zunehmende Tendenz zum Neonazismus gab, brach er ein Tabu. Ein Jahr später rief Weiß zusammen mit anderen die Bevölkerung der DDR dazu auf, die notwendige Umgestaltung des Landes selbst in die Hand zu nehmen. Dieser Aufruf zur „Einmischung in eigener Sache“ war zugleich der Gründungsaufruf der Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“, in deren Sprecherrat Weiß aktiv war und für die er am Zentralen Runden Tisch saß. Im Dezember 1989 entwickelte er einen „Drei-Punkte-Plan zur Deutschen Einheit, zog dann für Bündnis90 in die erste frei gewählte Volkskammer ein und anschließend in den Deutschen Bundestag. Vor seiner politischen Karriere war der 1942 Geborene gute 20 Jahre als Regisseur im Berliner DEFA Studio für Dokumentarfilme tätig. Konrad Weiß lebt als freier Publizist in Berlin.