Das ost-westeuropäische Gedenkstättenseminar richtet sich an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter/innen von Gedenkstätten oder Museen und Personen, die sich in Projektarbeit oder Schule und Hochschule mit der Geschichte von Nationalsozialismus, Holocaust, Stalinismus und kommunistischer Diktatur sowie anderen Formen totalitärer Gewaltherrschaft und des Widerstandes dagegen auseinander setzen. Das Seminar versteht sich als Forum für den gesamteuropäischen Erfahrungsaustausch von Vertretern aus der Praxis, die in der historisch-politischen Bildungsarbeit tätig sind und insofern einen pädagogischen Auftrag haben.
In der Erinnerungskultur der ostmittel- und osteuropäischen Staaten, geprägt durch die traumatischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts, stehen – anders als im Westen – die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen parallel zu den Verbrechen, die durch die Etablierung sowjetisch initiierter und kontrollierter kommunistischer Regimes ausgelöst wurden. Während das Demokratieverständnis Westeuropas durch die Erfahrungen des Abwehrkampfes gegen die existentielle Bedrohung durch den Nationalsozialismus fundamental geprägt wurde, entwickelte sich das heute dominierende nationale Selbstverständnis in den osteuropäischen Ländern in erster Linie unter den Bedingungen antikommunistischen Widerstandes.
Diese Ausgangslage führt auch unter wohlgesonnenen Beobachtern immer wieder zu Irritationen und Missverständnissen in der gegenseitigen Wahrnehmung von Ost und West, im Ergebnis auch zu Fehlurteilen und Stigmatisierungen. Seit 6 Jahren organisiert die Gedenkstätte der Stiftung Kreisau in Kooperation mit Partnern aus Deutschland einen ost-west-europäischen Erfahrungsaustausch zu Fragen des Umgangs mit der Geschichte und der Vermittlung von Diktaturerfahrung in der historisch-politischen Bildungsarbeit.
Thematisch wird sich das ost-westeuropäische Gedenkstättenseminar 2009 mit dem Hitler-Stalin-Pakt 1939 auseinander setzen, seiner Interpretation sowie der Folgen in den unterschiedlichen Ländern.
Eine der wesentlichen Hürden in der Vergangenheitsbetrachtung in Ost- und Westeuropa ist die getrennte Wahrnehmung des Kommunismus. Während insbesondere in Deutschland die Erinnerung an Kommunismus und Nationalsozialismus weiterhin weitgehend isoliert betrachtet wird, und sich dies auch in der Konzeption von Gedenkstätten und der Konstituierung von Opferverbänden darstellt, unterschlägt diese für Deutschland nachvollziehbare, wenn auch zu reflektierende Interpretation bezogen auf Ostmitteleuropa ein wesentliches Moment: Die Staaten Ostmitteleuropas, insbesondere Polen, die Ukraine sowie die baltischen Staaten, interpretieren die Geschichte des Zweiten Weltkrieges als doppelte Okkupation. Wie unterschiedlich diese Sicht auf die Geschichte in den jeweiligen Ländern ausgeprägt ist, dies soll auf dem Gedenkstättenseminar 2009 detailliert erörtert werden.
Für das Jahr 2009 planen die Projektpartner eine Ausweitung der bisherigen Veranstaltung, indem die Diskussionen aus dem Seminar auch einen öffentlichen Rahmen erhalten. Darum soll während der Konferenz eine Abendveranstaltung in Wrocław / Breslau stattfinden. Anschließend reisen die internationalen Gäste des Seminars nach Berlin und nehmen dort teilweise als Akteure, teils als Zuhörer an einer weiteren öffentlichen Veranstaltung teil, die in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie zu Berlin in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin veranstaltet wird. Auf dem Weg von Kreisau nach Berlin und vor Ort besucht die internationale Delegation Museen und trifft sich mit Multiplikatoren aus Dresden, Berlin und Brandenburg zum Thema. Mit beiden Diskussionsveranstaltungen sollen die Inhalte und die unterschiedliche Perspektiven aus den einzelnen Ländern mit polnischen und deutschen Gästen diskutiert werden.
Mittwoch, 25. März 2009
ab 17.00 Uhr Anreise – Zimmerbelegung - Kaffee
fakultativ: Rundgang durch die Begegnungs- und Gedenkstätte Krzyżowa (Kreisau)
18.30–19.00 Uhr Abendessen
19.30 Uhr Einführung in das Programm durch die Veranstalter, Vorstellungsrunde
anschließend geselliger Abend zum Kennenlernen und Austauschen
Donnerstag, 26. März 2009
Der Hitler-Stalin-Pakt in der Erinnerungskultur und im Gedächtnis der Länder Europas – Perspektiven und Standpunkte
09.30 Uhr Der Hitler – Stalin – Pakt als europäischer Erinnerungsort?
3 Kurzbeiträge zur Einführung:
Prof. Bernd Faulenbach (Bochum): Forschungen und Interpretationen
N.N. (Polen): Der Hitler-Stalin Pakt aus polnischer Perspektive
Alexander Vatlin (Moskau)*: Aufarbeitung des Themas in der russischen Historiographie und öffentlichen Debatte
Moderation: Burkhard Olschowsky
11.00 Uhr Kaffeepause
11.30 Uhr Fortsetzung der Diskussion
13.30 Uhr Mittagspause
15.00 Uhr Symbolische Museumsstandorte und ihr Umgang mit dem Hitler-Stalin-Pakt in der musealen Darstellung und in der Bildungsarbeit
Dr. Jörg Morré: Das Deutsch-russische Museum Karlshorst in deutscher und russischer Trägerschaft
Suzanne Bardgett: Eine westeuropäische Sicht – Das Imperial War Museum London
N.N.: Das Museum für den russisch-finnischen Winterkrieg 1941/44 (Helsinki/Finnland)
Moderation: Andrea Genest, ZFF Potsdam
16.30 Uhr Kaffeepause
17.00 Uhr Katyn – Gedenken und Erinnern am Ort des Geschehens
Ihar Kuznjacou (Memorial Belarus, Minsk): Die Gedenkstätte Katyń – ein sowjetisch-polnischer Ort
Andrzej Przewoźnik: Rat zum Schutz des Gedenkens an Kampf und Märtyrertum (Warschau)
Moderation: Ludwig Mehlhorn
18.00 Uhr Abendessen
19.30 Uhr Der Umgang mit Katyn in der Emigration
Gespräch mit der Dissidentin und Autorin Natalia Gorbanewskaya (Paris)
Freitag, 27. März 2009
Forum historisch-politischer Bildungsarbeit
09. 00 Uhr Olga Lemish: Der Umgang mit NS- und kommunistischer Diktatur im Unterricht in der Ukraine
10.00 Uhr Kaffeepause
10.30 Uhr Rachel Genvo: Die Darstellung des Kommunismus in französischen Schulbüchern
12.00 Uhr Diskussion über Projekterfahrungen der Teilnehmer/innen
Moderation: Anna Kaminsky
13.00–14.30 Uhr Mittagspause
15.00 Uhr Exkursion nach Wroclaw – Breslau: eine multikulturelle Metropole. Spurensuche.
19.00 Uhr Oratorium Marianum, Universität Wroclaw-Breslau
Ost-west-europäische Geschichtssichten: Der Hitler-Stalin-Pakt in Europa
Eine Diskussion zwischen
Prof. Bernd Faulenbach (Bochum)
Prof. Stanislaw Ciesielski (Universität Wroclaw)
Prof. Valters Nollendorfs (Riga)
Andrij Pawlishin* (Lemberg)
Moderation: Dr. hab. Krzysztof Ruchniewicz (Wroclaw)
Samstag, 28. März 2009
9:00 Uhr Ronny Heidenreich: Denkmäler zur Erinnerung an den Hitler-Stalin-Pakt und Katyn
10.00 Uhr Auswertungsrunde und Ideen für ein nächstes Mal
Ab 11.00 Uhr Ende des Seminars
Abfahrt nach Berlin über Dresden
* angefragt