Wir erleben heute ungewöhnliche Zeiten. Die Menschen legen ihre Masken
ab und zeigen ihr wahres Gesicht. Unter der Asche des Vergessens holen
sie ihr Gewissen zurück. Wir sind heute die, die wir wirklich sind. (…) Die tiefste Solidarität ist die Solidarität der Gewissen.
Józef Tischner, 19. Oktober 1980, Predigt auf dem Wawel
Mit der „Solidarność“ – entstanden nach den Streiks in den polnischen Küstenstädten im August 1980 – begann die Erosion des kommunistischen Machtsystems. Die Versuche vieler kleinerer Gruppen der demokratischen Opposition, durch konkretes Handeln öffentlich-politische Räume der Gesellschaft zurückzugewinnen und eigenständig zu gestalten, hatten eine „kritische Masse“ erreicht und flossen in einer gesellschaftlichen Massenbewegung zusammen. Erstmals mussten Vertreter des Regimes mit der Opposition verhandeln.
Die Zeit des Aufbruchs in Polen und deren Wahrnehmung bei den Nachbarn, die wir bei unserer Tagung vergegenwärtigen wollen, war auch das Signal, eine bis dahin unrealistisch oder gänzlich unmöglich erscheinende Zukunft vorauszudenken, in der die Blockspaltung und die Ost-West-Konfrontation überwunden sein würde. Zugleich wollen wir fragen, was der solidarische Aufbruch vor dreißig Jahren in der heutigen politischen Wirklichkeit Europas bedeuten kann.
Eine Lesung aus der gerade erscheinenden Wałęsa-Biografie von Reinhold Vetter rundet die Tagung ab.
Annemarie Franke
Stiftung Kreisau
Ondrej Matejka
Antikomplex Prag
Ludwig Mehlhorn
Evangelische Akademie zu Berlin
Dr. Burkhard Olschowsky
Europäisches Netzwerk Erinnerung und Solidarität
Freitag 28. Mai 2010
15.00 Uhr Anmeldung,
Kaffee im Foyer
16.00 Uhr Begrüßung und Einführung
Ludwig Mehlhorn
16.15 Uhr Aktuelle Stunde:
Wie geht es weiter in Polen?
Nach der Katastrophe von Smolensk und vor den Präsidentschaftswahlen
Moderation: Markus Meckel
17.30 Uhr Getrennt und doch gemeinsam
Polnische und tschechische Erfahrungen auf dem Weg in die Freiheit
Maciej Zięba OP, Theologe, Direktor des „Europejskie Centrum Solidarności“, Danzig
Jaroslav Šonka, Philosoph und Journalist, Berlin/Prag
19.00 Uhr Abendessen
20.00 Uhr Furcht vor der Freiheit?
Gesellschaftliche Reaktionen auf die Solidarność in Deutschland Ost und West
Dr. Burkhard Olschowsky, Berlin
Kommentar: Alice Bota, DIE ZEIT
Moderation: Dr. Andrea Genest, Historikerin, Berlin
Ende: 22.00 Uhr
Samstag, 29. Mai 2010
9.30 Uhr Sitzen wir noch in einem Boot?
Warum Solidarität heute so schwer ist:
- Unsere Schwierigkeiten und Chancen mit Deutschland
Dr. Waldemar Czachur, Zentrum für Internationale Beziehungen, Warschau
Jan Šícha, Auswärtiges Amt, Prag
11.00 Uhr Kaffeepause
11.30 Uhr - Unsere Schwierigkeiten und Chancen mit Russland
Dr. Kazimierz Woycicki, Historiker, Universität Warschau
Jiri Gruša, Schriftsteller, ehemaliger Botschafter der Tschechischen Republik
Kommentar: Wolfgang Templin, Publizist, Berlin
Moderation: Ondrej Matejka, Antikomplex Prag
13.00 Uhr Mittagessen
15.00 Uhr Dimensionen von Solidarität
Zur Aktualität von Józef Tischners „Etyka Solidarności“
Dr. Theo Mechtenberg, Theologe, Vlotho
Moderation: Dr. Robert Żurek, Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften
16.30 Uhr Kaffeepause
17.00 Uhr Was können wir in Europa gemeinsam tun?
Vorausdenken in die Zukunft – damals und heute
Gespräch mit:
Zbigniew Bujak, Mitbegründer der Solidarność, Warschau (angefragt)
František Cerny, Botschafter a.D., Prag
Prof. Dr. Paul Nolte, Freie Universität Berlin, Präsident der Evangelischen Akademie zu Berlin
Moderation: Annemarie Franke
18.30 Uhr Abendessen
19.30 Uhr Polens eigensinniger Held
Wie Lech Wałęsa die Kommunisten überlistete
Reinhold Vetter liest aus seiner Biografie
Ende der Veranstaltung gegen 21.30 Uhr