Wissenschaftler erwarten für die Russische Föderation einen dramatischen Rückgang der Bevölkerung von aktuell 141,9 Mio. auf weniger als 130 Mio. im Jahr 2025. Die Politik hat die demographische Entwicklung mittlerweile als Schlüsselthema für die Entwicklung des Landes identifiziert. Wie der komplexe Wandel aber wirksam bewältigt werden kann, ist offen.
Maßgeblich für die schnelle Bevölkerungsabnahme sind sowohl niedrige Geburtenraten als auch die geringe Lebenserwartung in Russland. Hinter dieser statistischen Feststellung liegt eine Vielzahl komplexer gesellschaftlicher Ursachen, denen nur zum Teil politisch begegnet werden kann. Dazu gehören Zukunftsängste und eine schlechte ökonomische Basis junger Familien, mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch eine hohe Unfruchtbarkeitsrate infolge einer allgemein ungesunden Lebensweise und erheblichen Mängeln im Gesundheitssystem sowie Kinderlosigkeit aufgrund von Abtreibung.
Gleichzeitig muss sich die russische Gesellschaft an unvermeidbare Auswirkungen des demografischen Wandels anpassen. Im Fokus der Aufmerksamkeit stehen hier der absehbare Mangel besonders an qualifizierten Arbeitskräften, eine wachsende Gefährdung von Sozialsystemen aufgrund der zu erwartenden allgemeinen Alterung und die zunehmende Entleerung ganzer Regionen, die das ohnehin erhebliche regionale Wohlstandsgefälle innerhalb Russlands verstärkt. Diskutiert werden z.B. aber auch Ängste wie die, dass der mangelnde Rekrutennachwuchs die Verteidigungsfähigkeit des Landes in Frage stellen oder der wachsende Anteil der nichtrussischen Bevölkerung den Bestand des russischen Staates gefährden könne.
Die ersten offensichtlichen Anzeichen einer Reaktion der russischen Regierung auf die demografischen Herausforderungen waren vor einigen Jahren die im öffentlichen Raum unübersehbaren Bilder von glücklichen Müttern und manchmal auch Vätern mit ihren Kindern, verbunden mit ermutigenden Slogans zur Familiengründung. Mittlerweile wurden aber auch zahlreiche weitere Maßnahmen bis hin zu erheblichen materiellen Leistungen für Familien ergriffen. Die Tagung beleuchtet Hintergründe und hinterfragt die Wirksamkeit der Familienpolitik in Russland im Kontext der Diskussion um den demografischen Wandel.
Dazu laden wir Sie herzlich ein.
Walter Kaufmann
Heinrich-Böll-Stiftung
Ludwig Mehlhorn
Evangelische Akademie zu Berlin
Stefan Melle
Deutsch-Russischer Austausch e.V.
Freitag, den 29. Oktober 2010
13.30 Uhr Anreise / Begrüßungskaffee
14.30 Uhr Begrüßung
Ludwig Mehlhorn, Studienleiter,
Evangelische Akademie zu Berlin
Stefan Melle, Geschäftsführer,
Deutsch-Russischer Austausch e.V.
Ralf Fücks, Vorstand,
Heinrich-Böll-Stiftung
15.00 Uhr Demografischer Wandel in Russland
Einführungsvortrag
Viktoria Sakevich, Institut für Demografie, Higher School of Economics, Moskau
Kommentar
Dorothea Rieck, Max-Planck-Institut für Demografische Forschung, Berlin/Rostock
16.00 Uhr Kaffeepause
16.30 Uhr Mama - Papa - Kinder? Lebensbilder im modern-traditionellen Russland
Podiumsdiskussion
Anna Temkina, Europäische Universität, St. Petersburg
Sabina Schutter, Deutsches Jugendinstitut e. V., München
Karpovich, Natalia, Mitglied der Gesellschaftskammer, Moskau
18.00 Uhr Es gibt Frauen in Russlands Dörfern
Filmpräsentation (Russland, 2006, 27 Min., Regie: Pavel Kostomarov, Anton Kattin)
19.00 Uhr Empfang der Stiftung
Deutsch-Russischer Austausch e. V.
19.30 Uhr Abendessen
anschließend Gespräche im kleinen Kreis
Samstag, den 30.Oktober 2010
9.30 Uhr Macht Politik Familie?
Kindergeld und Wohnkredit - Ansprüche an und von Familien
Podiumsdiskussion
Rima Scharifullina, Präsidentin der Frauenrechtsorganisation Egida, St. Petersburg
Basan Sacharov, Forum Junger Familien,Republik Kalmückien
Sabina Schutter, Deutsches Jugendinstitut e. V., München
11.00 Uhr Kaffeepause
11.30 Uhr Sozialpolitische Antworten auf den demografischen Wandel
Abschlussdiskussion mit
Elena Gerasimova, Mitglied der Kommission
für Sozial- und Demografiepolitik des Uljanowsker Gebiets
Olga Isupova, Institut für Demografie, Higher School of Economics, Moskau
Irmingard Schewe-Gerigk, Terre de Femme, ehem. MdB
13.00 Uhr Suppe und Brot
Ende der Tagung gegen 14.00 Uhr
Dolmetscherinnen
Susanne Konschak und Anastasia Ostretsova
Diese Tagung wird gefördert durch die
Bundeszentrale für politische Bildung