Berlin hat über 200 Kirchen in evangelischer Trägerschaft. Diese alle zu erhalten ist für die Kirche und ihre Gemeinden eine Überforderung. Die Vermutung, dass sich die Kirche von einem Viertel ihrer Kirchen in den kommenden Jahrzehnten wird trennen müssen, ist sicher nicht aus der Luft gegriffen. Wenn dieses nicht zufällig geschehen soll, ist Planung notwendig. Diese muss nicht nur Fragen des Denkmalschutzes und der Stadtplanung berücksichtigten, sondern auch bedenken, ob der Bausubstanz eine innerliche Substanz entspricht und ob Gemeinden ihr Kirchengebäude mit Leben füllen.
Bisherige Sparmaßnahmen betrafen in der Regel das Personal. Muss nun einem weiteren Personalabbau die Verminderung der Kirchenräume vorgezogen werden? Die Vorstellung, eine Mehrzahl oder gar alle Kirchen durch Spenden und Bürgerengagement retten zu können, ist angesichts der Größenordnung der Probleme, die in den nächsten Jahren zu erwarten sind, eine Illusion. Schon um zu verhindern, dass Spenden in Projekte fließen, die langfristig nicht zum Erfolg führen können, muss eine übergreifende Perspektive geschaffen werden. Und die Einführung der kaufmännischen Buchführung im kirchlichen Finanzwesen wird weitere Probleme sichtbar machen. Der Druck steigt, die seit Jahrzehnten in Bauvisitationen und Symposien angestellten Überlegungen umzusetzen.
Während in der Stadt einige Kirchen umgenutzt werden, entstehen gleichzeitig neue. Citykirchen entwickeln sich mit besonderem Profil, sie ziehen Menschen weiträumig an, ihre Gemeindeglieder fehlen an anderer Stelle und verstärken die Entwicklung der Konzentration auf wenige Standorte. Wie viele evangelische Kirchen braucht Berlin? Um diese Frage beantworten zu können, ist Mut nötig, sich von liebgewonnenen Vorstellungen zu lösen. Auch Kirchen haben Lebenszeiten, sie wurden von Menschen erbaut und oft verschwinden sie auch wieder. Meistens kriegsbedingt, manchmal auch durch bewusste Entscheidungen. Inzwischen gibt es in Deutschland vielfältige Erfahrungen mit Schließungen, Umwidmungen und Abrissen von Kirchengebäuden.
Kriterien der Entscheidungsfindung zu diskutieren und Perspektiven für eine gute, wenn auch veränderte Zukunft der Kirche in der Stadt zu zeigen, ist das Ziel dieser Veranstaltung.
Dr. Rüdiger Sachau
Evangelische Akademie zu Berlin
Die Tagung wird mit einer Exkursion für Interessierte am 11.9.2010 fortgesetzt.
Freitag, den 10. September 2010
Französische Friedrichstadtkirche
16.30 Uhr Einlass
17.00 Uhr Begrüßung und Einführung
Dr. Rüdiger Sachau
17.05 Uhr Vom normalen Verschwinden der Kirchen
Bau- und kunsthistorische Grundlagen
Maren Krause, Kunsthistorikerin, Berlin
17.40 Uhr Die schwierigen Wege in die Zukunft
Woran Gemeinden in der Praxis scheitern
Marcus Nitschke, D:4 Büro für Kirche und Kultur, Berlin
18.00 Uhr Kirchenräume – eine theologische Herausforderung
Pastor Dr. Bernd Schwarze, Lübeck
18.30 Uhr Gesprächspause
19.00 Uhr Diskussion mit den Referenten
20.00 Uhr Gelegenheit zum Gespräch bei einem Glas Wein
Samstag, den 11. September 2010
Start Parochialkirche, Klosterstr. 67, 10179 Berlin (U-Bahn Klosterstraße)
10.00 Uhr Wie viele Kirchen braucht die Stadt?
Lebensstadien von Kirchen und Kapellen in der historischen Mitte Berlins
In einem dreistündigen Weg werden wir die Lebensgeschichten bestehender wie ehemaliger Kirchen der historischen Berliner Mitte erkunden. Ausgangspunkt ist die Parochialkirche in der Klosterstraße.
Die Stadtexkursion wird eingeleitet von Generalsuperintendent Ralf Meister.
Stationen:
Parochial – eine Kirche im Wartestand
Ruine der Franziskanerklosterkirche
Die säkularisierte Nikolaikirche
St. Petri – nur der Ort blieb – was wird kommen?
Heilig-Geist eine Kapelle als Mensa der Universität
Ende gegen 13.00 Uhr