Das diesjährige Symposium zum Flüchtlingsschutz will die „Gerechte Verteilung von Schutzsuchenden in Europa“ ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellen. Während die Gremien der Europäischen Union an der Reform des Europäischen Asylaquis arbeiteten, haben der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu zentralen Problemfeldern des Flüchtlingsschutzes wichtige Grundsatzurteile gefällt. Im Januar 2011 verurteilte der EGMR Griechenland und Belgien, nachdem ein afghanischer Asylsuchender gegen seine Behandlung in Griechenland und seine Abschiebung dorthin Beschwerde eingelegt hatte. Es folgte im Dezember 2011 ein Grundsatzurteil des EuGH zur menschenrechtskonformen Auslegung der Dublin-II-Verordnung, wonach Abschiebungen in Mitgliedstaaten zu unterbleiben haben, wenn dort aufgrund „systemischer Mängel“ eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Im Februar schließlich bestätigte wiederum der EGMR, dass Menschenrechte von Flüchtlingen auch auf hoher See gelten und die im Jahr 2009 von Italien durchgeführten Abschiebungen von eritreischen und somalischen Flüchtlingen nach Libyen eine Missachtung der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellten.
Mit diesen Grundsatzurteilen hat die Debatte um die europäische Flüchtlingspolitik neue Nahrung erhalten. Die Frage nach dem Umgang mit Flüchtlingen – insbesondere die Inhaftierungspraxis, die Aufnahmebedingungen, die Dublin-Abschiebungen, die Situation an den Grenzen, die Kooperation mit Transitstaaten und die Zurückweisung auf hoher See – müssen nun neu gestellt werden und im Lichte der Grundsatzurteile beantwortet werden.
Das Symposium soll vor diesem Hintergrund eine Bestandsaufnahme und Reflektion des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ermöglichen. Die Auswirkungen auf Asylsuchende und die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die politischen Implikationen mit denkbaren Alternativmodellen sollen intensiv durch Beiträge von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis beleuchtet werden. Zum gemeinsamen Austausch laden wir alle Interessierten herzlich ein.
Im Namen aller Kooperationspartner
Dr. Rüdiger Sachau
Evangelische Akademie zu Berlin
Tagung in Kooperation mit:
UNHCR Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen
UNO-Flüchtlingshilfe
Amnesty International
Arbeiterwohlfahrt Bundesverband
Arbeitsgemeinschaft Ausländer - und Asylrecht des Deutschen Anwaltvereins
Evangelischer Kirchenkreis Berlin Stadtmitte
Deutscher Caritasverband
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband
Deutsches Rotes Kreuz
Diakonisches Werk der EKD
Neue Richtervereinigung
PRO ASYL
Von Loeper Literaturverlag
Montag, den 19. Juni 2012
Ab
8.45 Uhr Anmeldung und Kaffee
9.45 Uhr Eröffnung
Dr. Rüdiger Sachau, Direktor, Evangelische Akademie zu Berlin
Dr. Michael Lindenbauer, UNHCR-Vertreter für Deutschland und Österreich, Berlin
10.00 Uhr Einblicke in die Asylsysteme Italiens, Ungarns und Griechenlands
Einführung: Kerstin Becker, Deutsches Rotes Kreuz, Berlin, und Vorstandsmitglied, European Council on Refugees and Exiles, Brüssel
Griechenland: Salinia Stroux, Journalistin/Ethnologin, Athen
Italien: Jürgen Humburg, UNHCR, Rom
Ungarn: Dr. Boldizsar Nagy, Eötvös Loránd Universität und Central European University, Budapest
11.15 Uhr Kaffeepause
11.45 Uhr Erfüllt das Dublin-System seinen Zweck?
Maria-Teresa Gil-Bazo, Lecturer in Law, Newcastle University
12.30 Uhr Das Urteil des EuGH zur grundrechtskonformen Anwendung der Dublin II VO – Impuls
Dr. Berthold Huber, Vorsitzender Richter VG, Frankfurt a. M.
13.00 Uhr Mittagessen
Arbeitsforen
14.30 Uhr – 17.30 Uhr (Kaffee in den Foren)
1. Situation in Ungarn und Konsequenzen für das Dublinverfahren
Dominik Bender, Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.
Henrike Janetzek, UNHCR, Nürnberg
Dr. Boldizsar Nagy, Eötvös Loránd Universität und Central European University, Budapest
Iris Escherle, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg
Moderation: Nele Allenberg, Evangelische Kirche in Deutschland, Berlin
2. Resettlement: Überlegungen zur Umsetzung des deutschen Resettlementprogramms
Andrea Kothen, PRO ASYL, Frankfurt a. M.
Paul Middelbeck, Ministerium für Inneres und Sport Niedersachsen, Hannover
Norbert Scharbach, Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration, Kiel
Moderation: Norbert Trosien, UNHCR, Berlin
3. Dublinverfahren in Deutschland – aktuelle Problemlagen
Dr. Berthold Huber, Vorsitzender Richter VG, Frankfurt a. M.
Renate Leistner-Rocca, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg
Marei Pelzer, PRO ASYL, Frankfurt a. M.
Moderation: Katharina Stamm, Diakonisches Werk der EKD, Berlin
4. Zugang nach Europa – Zusammenarbeit mit nordafrikanischen Staaten
Richard Ares Baumgartner, Frontex, Warschau
Katharina Braig, Auswärtiges Amt, Berlin
Karl Kopp, PRO ASYL, Frankfurt a. M.
Franziska Vilmar, Amnesty International, Berlin
Moderation: Dr. Nora Markard, Zentrum für europäische Rechtspolitik (ZERP), Universität Bremen
5. Rechtsprechung des EuGH: Möglichkeiten und Grenzen der Verfahren vor dem EuGH und bisher gesetzte Standards
Möglichkeiten und Grenzen der Verfahren vor dem EuGH:
Nikolaus Graf Vitzthum, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Berlin
Standardsetzung durch den EuGH in den bisherigen Verfahren:
Prof. Dr. Uwe Berlit, Vorsitzender Richter BVerwG, Leipzig
Dr. Reinhard Marx, Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.
Frank Mengel, Bundesministerium des Innern, Berlin
Moderation: Dr. Roland Bank, UNHCR, Berlin
6. Stand der Verhandlungen zur Asylverfahrens- und Aufnahmerichtlinie
Friederike Foltz, UNHCR, Berlin
Anja Klabundt, Bundesministerium des Innern, Berlin
Stefan Keßler, Jesuit Refugee Service, Brüssel
Moderation: Kerstin Becker, Deutsches Rotes Kreuz, Berlin
18.30 Uhr Sommerfest
Parochialkirche, Klosterstraße 67, Berlin Mitte
Dienstag, den 19. Juni 2012
9.30 Uhr Menschenrechte und Flüchtlingsschutz
Markus Löning, Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Berlin
Diskussion mit dem Publikum
10.15 Uhr Praktische Zusammenarbeit im gemeinsamen Europäischen Asylsystem
Kris Pollet, Senior Legal and Policy Officer, European Council on Refugees and Exiles, Brüssel
11.00 Uhr Stand des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
Daniel Endres, Europadirektor, UNHCR, Brüssel
11.45 Uhr Kaffeepause
12.15 Uhr Alternativen zum Dublinsystem
Impuls: Dr. Reinhard Marx, Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.
Podiumsdiskussion
Viola von Cramon, MdB, Bündnis 90/Die Grünen, Berlin
Kerstin Griese, MdB, SPD, Berlin
Stephan Mayer, MdB, CDU/CSU, Berlin
Petra Pau, MdB, Die Linke, Berlin
Hartfrid Wolff, MdB, FDP, Berlin
Günter Burkhardt, PRO ASYL, Frankfurt a. M.
Wolfgang Grenz, Amnesty International, Berlin
Moderation:
Bernd Pickert, Journalist, Die Tageszeitung, Berlin
13.30 Uhr Ende der Tagung