10. Ost-westeuropäisches Gedenkstättenseminar Kreisau
Das ost-westeuropäische Gedenkstättenseminar wird im Jahr 2012 zum 10. Mal stattfinden. Dies ist vor allem der regen Unterstützung und dem Interesse der Partner aus den unterschiedlichen europäischen Ländern zu verdanken. Leitendes Motiv aller bisherigen Zusammentreffen ist die Frage mehrfacher Diktatur- und Unrechtserfahrung in Europa und deren Folgen. Dies wurde anhand unterschiedlicher Themen oder Länderbeispiele diskutiert.
Das anstehende kleine Jubiläum des ost-westeuropäischen Gedenkstättenseminars fragt nach den vorherrschenden Narrativen über europäische Geschichte bzw. des eigenen Landes innerhalb Europas. Es fragt damit nach den Perspektiven, die hinter den Aufarbeitungsansätzen in den einzelnen Ländern stehen. Anlass, sich dieser Perspektive zu widmen, gab der Aufruf „Nationale Geschichtsbilder“ von Memorial Russland aus dem Jahr 2008: „Nationale Erinnerung verarbeitet die gemeinsame Erfahrung auf jeweils eigene Weise, verleiht ihr einen eigenen Sinn. So hat jedes Volk sein eigenes 20. Jahrhundert.“ Es ist nicht die theoretische Einsicht dessen, es ist das Wissen um die jeweilige Perspektive, die den Umgang mit europäischer Geschichte zunächst einmal verstehen lässt. Auf dieser Ebene lässt sich die Arbeit von Aufarbeitungsinitiativen in ihrem Versuch, die weißen Flecken der Geschichtsbetrachtung zu füllen, verstehen.
Das ost-westeuropäische Gedenkstättenseminar richtet sich an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter/innen von Gedenkstätten oder Museen und Personen, die sich in Projektarbeit oder Schule und Hochschule mit der Geschichte von Nationalsozialismus, dem Völkermord an den Juden, Stalinismus und kommunistischer Diktatur sowie anderen Formen totalitärer Gewaltherrschaft und des Widerstandes dagegen auseinander setzen. Das Seminar versteht sich als Forum für einen gesamteuropäischen Erfahrungsaustausch von Vertretern aus der Praxis, die in der historisch-politischen Bildungsarbeit tätig sind sowie Wissenschaftlern.
Wir laden herzlich zur Teilnahme ein!
Dr. Jacqueline Boysen
Dr. Bernd Florath
Annemarie Franke
Dr. Andrea Genest
Dr. Anna Kaminsky
Dr. Burkhard Olschowsky
Programm
Mittwoch, 21. März 2012
nachmittags ab 17.00 Uhr Anreise – Zimmerbelegung, Kaffee
fakultativ: Rundgang durch die Begegnungs- und Gedenkstätte Krzyżowa (Kreisau)
18.30 Uhr Abendessen
19.30 Uhr Einführung in das Programm durch die Veranstalter, Vorstellungsrunde
anschließend
Eröffnung der Fotographie-Ausstellung von Olga Shonova, Memorial St. Petersburg
– Places of Residence – zum Weiterleben ehemaliger Lager des Gulag.
Geselliger Abend zum Kennenlernen und Austauschen
Donnerstag, 22. März 2012
Das 20. Jahrhundert und seine Narrative – drei Perspektiven
9.30 Uhr Schweigen statt Aufarbeitung. Die sowjetische Erinnerung an den Stalinismus
Prof. Dr. Jörg Baberowski, Lehrstuhl für Geschichte Osteuropas, Humboldt Universität Berlin
Die Entwertung des Werts des menschlichen Lebens und der Freiheit als Grunderfahrung des 20. Jahrhunderts
Elena Zhemkowa, Gesellschaft „Memorial“ Moskau
10.30 Uhr Kaffeepause
11.00 Uhr Das polnische Narrativ zwischen nationaler Erinnerung und europäischer Identität
Prof. Jerzy Eisler, Direktor der Abteilung des Instituts des Nationalen Gedächtnisses (IPN) Warschau (angefragt)
12.30 Uhr Nachfragen und Diskussion der drei Vorträge
13.00 – 15.00 Uhr Mittagspause
„So hat jedes Volk sein eigenes XX. Jahrhundert“ - zwischen europäischer und nationaler Erinnerung
15.00 Uhr Frankreichs Meistererzählung vom „Land der Menschenrechte“
Prof. Dr. Ulrich Pfeil, Université Paul Verlaine, Metz
AT: Der Nationalsozialismus zwischen Forschung und Erinnerungskultur
Prof. Michael Wildt, Lehrstuhl Geschichte im 20. Jahrhundert, Schwerpunkt Nationalsozialismus, Humboldt Universität Berlin
16.30 Uhr Kaffeepause
17.00 Uhr Das tschechische Narrativ - Erfahrungen mit der Geschichtsaufarbeitung der letzten 20 Jahre
Ondrej Matejka, Geschäftsführer des Vereins „Antikomplex“ und Mitarbeiter beim Projekt „Zentrale für politische Bildung“ der Universität Brünn
18.00 Uhr Abendessen
19.30 Uhr Ludwig Mehlhorn (1950-2011) – Erinnerungen an einen Freund und Kollegen
Vorstellung des Buches „In der Wahrheit leben. Ludwig Mehlhorn“ herausgegeben von Stephan Bickhardt, Erscheinungsdatum: März 2012
Dokumentarfilm „Kinder der Revolution“ über 1989 in Mittel- und Osteuropa mit vielen O-Tönen Ludwig Mehlhorns
Freitag, 23. März 2012
Erinnerungsorte und Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer des Stalinismus
9. 30 Uhr Stolzes Gedenken und traumatisches Erinnern: Gedächtnisorte der Stalinzeit am Weißmeerkanal
Ekaterina Makhotina, Geschichte Osteuropas und Südosteuropas, Ludwig Maximilians Universität München
Deportationen in Russland und Polen im 20. Jahrhundert: "Krieg der Erinnerungen"?
Die Arbeit des Permer Jugendforums Memorial e.V.
Robert Latypow, Vorsitzender Memorial-Jugendforum und Maciej Was, polnischer Projektpartner, Europa-Universität Viadrina
10.45 Uhr Kaffeepause
Gedenkstätten und die Konstruktion von Erinnerung
11.15 Uhr Das Kriegsgefangenenlager Lamsdorf/Lambinowice. Dokumentarfilm der Gedenkstätte – Veränderungen der historischen Narration.
Dr. Renata Kobylarz, stellv. Direktorin der Gedenkstätte
Zum Narrativ des Lagers in Westeuropa. Das ehem. Kriegsgefangenenlagers Stalag X B Sandbostel und seine Nachkriegsgeschichte.
Dr. Andrea Genest, Gedenkstätte Sandbostel
13.00 –14.30 Uhr Mittagspause
14.30 Uhr Belarus - Die Diktaturen des 20. Jahrhunderts – Erinnerung und Erinnerungslosigkeit
Igor Kuznecov, Memorial Minsk
Andrij Kyshtymov, Institut für Parlamentarismus, Minsk
Prof. Swetlana Kul-Sylwestrowa, Universität Grodno / z.Zt. Bialystok
15.30 Uhr Kaffeepause
16.00 Uhr Forum historisch-politische Bildung
- Projektpräsentationen –
Präsentation der Ausstellung „Meine Heimat, wo bist du?“ über das Schicksal Rußlanddeutscher im Stalinismus und über die Schicksale deutscher Kriegsgefangener im Nordural
Jurij Kalmykow, Natalja Paelge, Autoren und Kuratoren aus Jekaterinburg
Darstellung der DDR-Geschichte in privaten Museen.
Dr. Irmgard Zündorf, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam
18.00 Uhr Exkursion und gemeinsames Abendessen im Eulengebirge
Samstag, 24. März 2012
9.00 Uhr Forum historisch-politische Bildung
- Projektpräsentationen –
Das Europäische Netzwerk „Erinnerung und Solidarität“ - Aufgaben und Projekte
Dr. Burkhard Olschowsky
Die Synagoge in Rychbach/Reichenbach/Dzierzoniow – Projekte der Stiftung Betejnu-Chaj in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Kreisau
Dominik Kretschmann, Gedenkstätte Kreisau
10:00 Uhr Auswertungsrunde und Ideen für ein nächstes Mal
11.00 Uhr Kaffee und Abschied
Stand 25.01.2012 / Änderungen vorbehalten