Die produktive Bewältigung von Migrationsströmen ist für jede Gesellschaft und jeden Staat seit jeher eine der zentralen Herausforderungen. Dies gilt sowohl hinsichtlich fortlaufender Modernisierungsaufgaben in Wirtschaft, Arbeitsmarkt, sozialen Sicherungssystemen, Bildung und weiteren Politikfeldern, als auch hinsichtlich der demografischen Entwicklung, der Integrationskraft und der interkulturellen Bindungs- und Toleranzfähigkeit. Die Globalisierung und die damit verbundene steigende Mobilität der Menschen haben diese Aufgaben noch einmal verstärkt. In Deutschland und Russland gehören die verschiedenen Aspekte der Migration, insbesondere beschäftigungs- und sicherheitspolitische, menschenrechtliche und ethische, derzeit zu den am stärksten erörterten Themen. Die 18. Deutsch-Russischen Herbstgespräche widmen sich daher den Herausforderungen in der Migrationspolitik Russlands und Deutschlands in einem europäischen Kontext.
In den vergangenen Jahren wuchs der Einwanderungsdruck auf beide Länder überproportional – gespeist aus jeweils anderen Regionen und beruhend auf teilweise verschiedenen Gründen. Russland erlebt eine millionenstarke, überwiegend illegale Zuwanderung billiger, oft schlecht ausgebildeter Arbeitskräfte aus den zentralasiatischen Republiken, aber auch aus sämtlichen postsowjetischen Ländern, in deren Mitte Russland erneut zu einem ökonomischen Kraftfeld mit großer Attraktivität geworden ist.
In Deutschland wirkt sich einerseits die Wirtschafts- und Finanzkrise in den südlichen Ländern der EU aus. Andererseits ist die Bundesrepublik Zielpunkt zehntausender Flüchtlinge aus Bürgerkriegsregionen, aber auch aus Armutsgebieten weltweit – dem Irak, Afghanistan, Syrien, und nicht zuletzt der russischen Kaukasusrepublik Tschetschenien, aus der allein 2013 bereits etwa 10.000 Menschen meist über Polen ins Land kamen.
Die Erfahrung Deutschlands aus den wiederholten Zuwanderungswellen seit den 50er Jahren kann wichtige Thesen und Hinweise für denkbare Entwicklungsszenarien in Russland liefern, die im Rahmen der Deutsch-Russischen Herbstgespräche ausgeleuchtet werden.
Beide Länder ringen in einem übergreifenden internationalen Wettbewerb mit einem spürbaren Verlust an intellektueller Kapazität durch Brain Drain – die Abwanderung hochqualifizierter Fachkräfte, die auf der Suche nach Maximierung ihrer Chancen sowie beruflicher und persönlicher Selbstverwirklichung den Weg in andere Länder wählen. Ziel ist, diese und weitere Fragen der Migrationspolitik zu behandeln. Alle Interessierten sind dazu herzlich eingeladen.
Claudia Schäfer
Evangelische Akademie zu Berlin
Stefan Melle
Deutsch-Russischer Austausch
Mit Unterstützung der Heinrich-Böll-Stiftung
9.00 Uhr Anmeldung
10.00 Uhr Begrüßung und Einleitung
Claudia Schäfer, Evangelische Akademie zu Berlin
Stefan Melle, Deutsch-Russischer Austausch, Berlin
10.30 Uhr Herausforderung Migration:
Eine Bestandsaufnahme zu aktuellen Entwicklungen in Russland und Deutschland
Michael Maier-Borst, stellv. Referatsleiter Recht im Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
Vyacheslav Postavnin, Präsident der Stiftung „Migration 21. Jahrhundert“, Moskau
Svetlana Gannuschkina, Flüchtlingshilfsorganisation „Zivile Unterstützung“, Netzwerk juristischer Beratungsstellen für Flüchtlinge und Vertriebene, Moskau
Dr. Holger Kolb, Leiter der Stabsstelle Jahresgutachten im Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Berlin
Moderation: Walter Kaufmann, Heinrich Böll Stiftung, Berlin
12.30 Uhr Mittagsimbiss
13.30 Uhr Erfahrung mit Integration: Einwanderung und interkulturelle Verständigung nach 1950 in Deutschland und Russland
Madzhumder Muhammad Amin, Präsident der Föderation der Migranten in Russland, Moskau
Kenan Kolat, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Berlin
Olga Potjemkina, Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, Moskau
Dr. Rainer Ohliger, Historiker, Gründungsvorstand des Netzwerks Migration in Europa e.V., Berlin
Moderation: Daniel Bax, Redakteur für Migration und Integration, TAZ, Berlin
15.00 Uhr Kaffeepause
15.30 Uhr Arbeitsforen in der Kirche und im Haus der EKD
Forum A: Interreligiöse und interkulturelle Aspekte der Zuwanderung
Helge Klassohn, Kirchenpräsident i.R., Beauftragter für Fragen der Spätaussiedler und der Heimatvertriebenen in der Evangelischen Kirche in Deutschland
Andrej Jakimov, Antidiskriminierungszentrum „Memorial“, St. Petersburg
Moderation: Daniel Bax
Forum B: Herausforderungen der Arbeitsmigration
Vyacheslav Postavnin, Präsident der Stiftung „Migration 21. Jahrhundert“, Moskau
Dr. Holger Kolb, Leiter der Stabsstelle Jahresgutachten im Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Berlin
Moderation: Mischa Gabowitsch, Soziologe und Zeithistoriker, Einstein Forum, Potsdam
Forum C: Tschetschenen in Deutschland
Bernward Ostrop, Rechtsanwalt für Aufenthaltsrecht, Berlin
Amerkhan Varaev, Vertreter der russischen Teilrepublik Tschetschenien in Deutschland, Berlin
Svetlana Gannuschkina
Moderation: Barbara Lehmann, Journalistin und Autorin, Berlin
17.00 Uhr Rückkehr in die Französische Friedrichstadtkirche
17.15 Uhr Aufgabe der Bevölkerungspolitik: Bedarf, Legitimität und Handlungsmöglichkeiten für staatliche und nichtstaatliche Unterstützung von Migrations- und Integrationsprozessen
Prof. Barbara John, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Berlin
Dr. Cornelia Schu, Stiftung Mercator, Essen
Madzhumder Muhammad Amin
Olga Potjemkina
Moderation: Stefan Melle
18.45 Uhr Schlusswort und Verabschiedung
19.00 Uhr Ende der Veranstaltung
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