Menschen geschützt - gerechten Frieden verloren?

Kongress

Menschen geschützt - gerechten Frieden verloren?

Kontroversen um die internationale Schutzverantwortung in der christlichen Friedensethik

Tagungsnr.
17/2013
Von: 13.06.2013 15:00
Bis: 15.06.2013 13:30
Französische Friedrichstadtkirche

Der gerechte Frieden als Konzept steht spätestens seit der Internationalen Ökumenischen Friedenskonvokation 2011 weltweit auf der Agenda der Kirchen. Angesichts des Blutvergießens in Ruanda, Srebrenica, im Sudan und Syrien stellt sich zugleich die Frage nach der Schutzverantwortung der internationalen Gemeinschaft und ob diese auch mit militärischen Mitteln wahrgenommen werden soll. Das Konzept der Responsibility to Protect wurde in der Vollversammlung der Vereinten Nationen 2005 von den meisten Staaten anerkannt. Wie beeinflusst die im Entstehen befindliche völkerrechtliche Norm das Paradigma vom gerechten Frieden? Wie kann der Kerngedanke der Prävention umgesetzt werden? Können Kriterien im Hinblick auf militärische Interventionen als letztes Mittel entwickelt werden? Wie kann ein möglicher Missbrauch der internationalen Schutzverantwortung verhindert werden? Der Kongress möchte diese Fragen in einem ökumenischen und interreligiösen Diskurs mit Vertretern aus Kirchen, Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft vertiefen und damit die Diskussion einer zeitgemäßen Friedensethik innerhalb der Kirchen vorantreiben.

Inhalt

Der Gerechte Frieden als Konzept steht spätestens seit der Internationalen Ökumenischen Friedenskonvokation 2011 weltweit auf der Agenda der Kirchen. In der Abschlusserklärung von Kingston/Jamaika heißt es:

„Die Geschichte führt uns, insbesondere im Zeugnis der historischen Friedenskirchen, vor Augen, dass Gewalt gegen den Willen Gottes ist und keine Konflikte lösen kann. Aus diesem Grund gehen wir über die Lehre vom gerechten Krieg hinaus und bekennen uns zum gerechten Frieden“.

Ausgehend von den gegenwärtigen internationalen Konfliktkonstellationen soll das Konzept des Gerechten Friedens eine Antwort auf die Frage geben, wie unschuldige Menschen vor Ungerechtigkeit, Krieg und Gewalt geschützt werden können. Über die Kontroverse ‚Gerechter Krieg vs. Pazifismus’ hinaus fokussiert das Konzept auf das Primat der zivilen Konfliktbearbeitung und Gewaltprävention.

Angesichts der Erfahrungen von Ruanda, Srebrenica, Sudan oder Syrien stellt sich zugleich die Frage nach der Schutzverantwortung, auch mit militärischen Mitteln. Das in der internationalen Politik und im Völkerrecht entwickelte Konzept der Responsibility to Protect (RtoP) wurde beim „Weltgipfel“ der Vereinten Nationen 2005 von den meisten Staaten anerkannt. Es formuliert eine internationale Verantwortung zum Schutz der Menschen. Dabei müsse sich die Souveränität des Staates an der Souveränität des Individuums messen lassen. Daraus abgeleitet werden drei Teilverantwortlichkeiten: die Pflicht zur Prävention (Responsibility to Prevent), die Pflicht zur Reaktion (Responsibility to React) und die Pflicht zum Wiederaufbau (Responsibility to Rebuild).

Die Kirchen haben dazu bei der Friedenskonvokation in Kingston 2011 weiter erklärt:

„Wir ringen weiter um die Frage, wie unschuldige Menschen vor Ungerechtigkeit, Krieg und Gewalt geschützt werden können. In diesem Zusammenhang stellen wir uns tiefgreifende Fragen zum Konzept der ‚Schutzverantwortung‘ und zu dessen möglichem Missbrauch. Wir rufen den ÖRK und seine Partnerorganisationen dringend auf, ihre Haltung in dieser Frage weiter zu klären.“

Zur Diskussion stehen u. a. folgende Fragen: Wie beeinflusst das in der UN inzwischen verankerte Konzept der Responsibility to Protect das Paradigma vom Gerechten Frieden? Wie kann der Kerngedanke der Prävention angesichts von realen Schutzbedürfnissen umgesetzt werden? Können Kriterien im Hinblick auf Interventionen als letztes Mittel entwickelt werden, die dem Anspruch des Gerechten Friedens entsprechen? Wie kann ein möglicher Missbrauch der internationalen Schutzverantwortung verhindert werden?

Der Kongress möchte diese Fragen in einem breiten Diskurs mit Vertretern aus Kirchen, Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft vertiefen und damit auch die Diskussion einer zeitgemäßen Friedensethik innerhalb der Kirchen vorantreiben. Zentrale Bedeutung erhalten dabei sowohl das interkonfessionelle Gespräch wie auch der Blick auf das Urteil anderer Religionen.

Die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen wird im November 2013 in

Busan/Südkorea diese Diskussion fortsetzen und in einen mehrjährigen Prozess überführen. Die Delegierten sollen in ihrer Urteilsbildung vorbereitet werden.


Es laden Sie herzlich ein:

Dr. Rüdiger Sachau, Evangelische Akademie zu Berlin

Uwe Trittmann, Evangelische Akademie Villigst

PD Dr. Ines-Jacqueline Werkner, Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST), Heidelberg

Renke Brahms, Konferenz für Friedensarbeit im Raum der EKD, Bremen

In Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK)

Diese Veranstaltung ist Teil des gemeinsamen Diskursprojektes „Dem Frieden der Welt zu dienen“ der Evangelischen Akademien in Deutschland (EAD e.V.), gefördert mit Mitteln der Arbeitsgemeinschaft Ethische Bildung in den Streitkräften (AEBIS) der Evangelischen Militärseelsorge.


Gefördert durch

Deutsche Stiftung Friedensforschung

Bundeszentrale für politische Bildung

Programm

Donnerstag, 13.06.2013


15.00 Uhr Begrüßung und Einführungen

Dr. Rüdiger Sachau, Ev. Akademie zu Berlin


15.15 Uhr Herausgefordert durch ökumenische Vielfalt

Von der Friedenskonvokation in Kingston zur Ökumenischen Vollversammlung in Busan

Bischof Martin Schindehütte, Kirchenamt der EKD, Hannover


15.40 Uhr Herausgefordert zur Gewaltfreiheit

Kontroversen um die christliche Friedensethik

Renke Brahms, Friedensbeauftragter des Rates der EKD, Bremen


16.00 Uhr Die unterschätzte Kraft der zivilen Prävention

Schutzverantwortung weiter denken

Prof. Dr. Edward C. Luck, 2008-2012 UN-Sonderbeauftragter RtoP, University of San Diego/CA

Moderation: Uwe Trittmann, Ev. Akademie Villigst


17.00 Uhr Pause


17.30 Uhr Gerechter Frieden zwischen Interventionsverbot und Schutzgebot

Das ethische Dilemma der Gewaltanwendung

Prof. Dr. Fernando Enns, Theologie der Friedenskirchen, Universität Hamburg / Freie Universität Amsterdam


18.30 Uhr Abendessen


20.00 Uhr Der gerechte Frieden – interkonfessionell diskutiert

Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven, Ltd. Direktor des Institutes für Theologie und Frieden, Hamburg

Prof. Dr. Eva Senghaas-Knobloch, Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD, Bremen

Dipl. Theol. Giorgios Vlantis, Orthodoxe Theologie, Universität München

N.N., Anglikanische Kirchen in GB

Moderation: Annegreth Schilling; Ruhr-Universität Bochum/MEET


21.30 Uhr Abendsegen

Bischof Dr. Dr. h.c. Markus Dröge, Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz


Freitag, 14.06.2013


9.30 Uhr Begrüßung und Moderation:

Dr. Rüdiger Sachau, Ev. Akademie zu Berlin


Gerechtigkeit und Frieden in der Bibel

Geistlicher Impuls zu Psalm 85

Dr. Paul Oestreicher, Canon Emeritus der Kathedrale von Coventry/GB


10.30 Uhr Der Begriff „Gerechter Frieden“

Zwischen normativem Anspruch und politischem Realismus

Prof. em. Dr. Lothar Brock, HSFK, Frankfurt/M.

anschließend Diskussion


12.00 Uhr Aufteilung der Workshops

anschließend Mittagessen


14.00 Uhr Gerechter Frieden: Das Konzept in der Bewährung

Arbeit in Workshops mit Vertretern aus Kirche, Politik und Wissenschaft

Die Workshops finden am Gendarmenmarkt und im Berliner Dom (Fußweg ca. 15 Minuten) statt.


1. Der Gerechte Frieden als Ethik der internationalen Beziehungen (Englisch)

Prof. Dr. Michael Haspel, Ev. Akademie Thüringen, Neudietendorf

Prof. Dr. Edward C. Luck, San Diego/CA

Prof. Dr. Christopher Daase, HSFK und Universität Frankfurt/M.

Moderation: Klaus Burckhardt, Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers


2. Gemeinschaft, Erde, Wirtschaft, Völker – wie weit geht Gerechter Frieden?

Prof. Dr. Konrad Raiser, 1992-2003 Generalsekretär des ÖRK, Berlin

Thilo Hoppe, MdB B90/Die Grünen

Prof. Dr. Harald Müller, HSFK, Frankfurt/M.

Moderation: Almut Bretschneider-Felzmann, MEET / Pfarrerin der Ev. Kirche in Mitteldeutschland, Meiningen


3. Unbedingte Gewaltfreiheit als theologische, ethische und politische Herausforderung

Dr. J. Jakob Fehr, Church and Peace, Schöffengrund

Roderich Kiesewetter, MdB CDU

Prof. Dr. Olaf L. Müller, Humboldt Universität zu Berlin

Moderation: Dirk Rademacher, Ev. Kirchenamt für die Bundeswehr, Berlin


4. Responsibility to Prevent – was können die Kirchen dafür tun?

Dr. Martin Robra, Exekutivsekretär im ÖRK, Genf/CH

Edelgard Bulmahn, MdB SPD

Dr. Otto Lampe, Beauftragter für die VN und Menschenrechte, National Focal Point RtoP im Auswärtigen Amt, Berlin

Dr. Karsten Lehmann, Universität Fribourg/CH

Moderation: Uwe Trittmann, Ev. Akademie Villigst


5. Responsibility to React – wenn Intervention das „letzte“ Mittel ist …

Ltd. Militärdekan Dr. Dirck Ackermann, Ev. Kirchenamt für die Bundeswehr, Berlin

Oberst i. G. Jürgen-Joachim von Sandrart, Bundesministerium der Verteidigung, Berlin

Paul Schäfer, MdB Die Linke

PD Dr. Ulrike Kleemeier, Universität Münster

Moderation: PD Dr. Ines-Jacqueline Werkner, FEST Heidelberg


6. Responsibility to Rebuild – Konzepte auf dem Weg zu Wiederaufbau und Versöhnung

Dr. Martin Quack, Beauftragter für humanitäre Hilfe, Diakonie Katastrophenhilfe, Berlin

Christine Tötzke, Referatsleiterin Frieden und Sicherheit im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Berlin (angefragt)

Prof. Dr. Hans-Joachim Heintze, Universität Bochum

Moderation: Dr. Anthea Bethge, Eirene, Neuwied


15.30 Uhr Kaffeepause


16.00 Uhr Fortsetzung der Workshops

(Die Zusammensetzung der Gruppen bleibt gleich)


17.30 Uhr Pause

Spaziergang zur Parochialkirche (Klosterstraße)


19.00 Uhr Abend der Begegnung in der Parochialkirche

Buffet und Musik


Abendandacht

Erzpriester Radu Constantin Miron, Vorstand Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK)


Samstag, 15.06.2012


9.30 Uhr „Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden“

Spirituelle Impulse aus den Religionen

Dr. Gerdi Nützel, Religionen auf dem Weg des Friedens, Berlin


10.00 Uhr Religionen kommentieren den Gerechten Frieden

Hamideh Mohagheghi, Mitglied der Islamkonferenz, Hannover

Dr. Edna Brocke, Essen

Oliver Petersen, Tibetisches Zentrum Hamburg

Dr. h.c. Thomas Wipf, Moderator European Council of Religious Leaders, Winterthur/CH

Moderation: Dr. Erika Godel, Ev. Akademie zu Berlin


11.30 Uhr Pause


12.00 Uhr Wegmarkierungen für Busan

Der Gerechte Frieden als gemeinsame Herausforderung an die Kirchen

Dr. Olav Fykse Tveit, Generalsekretär des ÖRK, Genf/CH

im Gespräch mit

Renke Brahms, Friedensbeauftragter des Rates der EKD, Bremen

Dr. William F. Vendley, Secretary General Religions for Peace International, New York/USA

Moderation: Dirk Rademacher, Ev. Kirchenamt für die Bundeswehr, Berlin


13.00 Uhr Reisesegen

anschließend Mittagsimbiss und Abreise


Teilen

Leitung

Dr. Rüdiger Sachau

Akademiedirektor

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