Es geht darum, dass nicht vergessen wird, was dort geschehen ist.
Theresienstadt sollte aber gleichzeitig eine lebendige Stadt sein.
(Dagmar Lieblová – Überlebende des Ghettos Theresienstadt)
Mehrere Perspektiven auf einen vielfach besonderen Ort europäischer Geschichte stehen im Mittelpunkt dieses Abends. Zum einen ist Theresienstadt Symbol für nationalsozialistische Gewaltherrschaft, zum anderen nahezu vollständig erhaltene barocke Festungsstadt, deren militärische Nutzung 1997 endete. Die drängende Frage ist, wie Gedenken und Stadtentwicklung an einem Ort mit so komplexer Geschichte und schwieriger Gegenwart miteinander vereinbart werden können und wie eine lebendige Stadt entwickelt werden kann, die sich ihrer vielschichtigen Vergangenheit bewusst ist.
Dazu ist es unerlässlich, die Bedeutung des Ghettos Theresienstadt, das ebenso das gesamte Areal der Großen Festung einnahm wie heute die Stadt Terezín, zu beleuchten. In seinem jüngsten Buch gelingt es Wolfgang Benz nicht nur, Bilder von Theresienstadt in Erinnerungskultur und kollektivem Gedächtnis zu berichtigen, vielfältige Mythologisierungen zu entlarven und damit Raum für eine neue Beschäftigung mit dem Gedenkort zu eröffnen. Er gibt zudem einen einsichtsreichen Überblick über die Auswirkungen geschichtspolitischer Ideologisierung auf die Nutzung des Geländes nach 1945 und die Gedenklandschaft in der heutigen Stadt.
Die Stadtplanerin Uta Fischer, deren Buch die gesamte Historie des Ortes darstellt und als einzigartiges Beispiel für die Festungsbaukunst des 18. Jahrhunderts würdigt, spannt den Bogen von der Vergangenheit hin zur Gegenwart und Zukunft Terezíns, das infolge des Truppenabzugs seinen Lebensmittelpunkt und seine ursprüngliche Funktion verloren hat. Die Stadt ist seitdem mit der Konversion einer gesamten Festungsanlage konfrontiert – eine besondere Herausforderung für alle Akteure. Die architektonischen Spezifika der Stadt, die als Einheit von Festungsstadt und Gedenkort für den UNESCO-Weltkulturerbe-Titel nominiert ist, können einem erweiterten Tourismus zuträglich sein. Die Frage der Modalitäten einer Revitalisierung Terezíns wird jedoch unterschiedlich beurteilt und kaum diskutiert. Die gegenwärtige Stadtentwicklungspolitik setzt konsequent auf das kulturelle Erbe und die Identität als Festungsstadt. Doch schon heute zeichnet sich ab, dass dies die negative Bevölkerungsentwicklung und die Problematik von Leerstand und Verfall nicht aufhalten kann.
Claudia Schäfer
Evangelische Akademie zu Berlin
Hans Tödtmann
Arbeitskreis Stadtpolitik
Montag, den 5. August 2013
19.00 Uhr Begrüßung
Claudia Schäfer, Evangelische Akademie zu Berlin
Grußwort
Dr. Rudolf Jindrák, Botschafter der Tschechischen Republik
19.15 Uhr Theresienstadt als Station des Holocaust – öffentliche Wahrnehmung damals und heute
Prof. Dr. Wolfgang Benz, Historiker, Berlin
Diskussion
20.15 Uhr Theresienstadt: Kunst im rechten Winkel - Fluch und Segen einer Bastionärsfestung im 21. Jahrhundert
Uta Fischer, Stadtplanerin, Berlin
Diskussion
Ende der öffentlichen Veranstaltung
21.15 Uhr Organisatorische Vorbereitung zur Exkursion
Hans Tödtmann und Annelies Piening, Arbeitskreis Stadtpolitik
Die Teilnehmer der Exkursion treffen sich im Gruppenraum „M. Barot“
LITERATUREMPFEHLUNGEN:
Wolfgang Benz, Theresienstadt. Eine Geschichte von Täuschung und Vernichtung. München,
C.H. Beck, 2013
Uta Fischer und Roland Wildberg, Theresienstadt – eine Zeitreise. Berlin: Wildfisch, 2011.
(Bestellungen über www.theresienstadt-zeitreise.de/bestellen/)