Korruption ist ein brisantes Dauerthema. Oft als Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Vorteil bezeichnet, gilt sie nicht nur als kriminelle Verzerrung politischer und wirtschaftlicher Regeln, sondern auch als grundsätzliches Hemmnis für Demokratisierung, Modernisierung und wirtschaftliche Entwicklung. Bei den 19. Deutsch- Russischen Herbstgesprächen stehen Ursachen, Ausmaß, Formen und Folgen von Korruption in Deutschland und in Russland im Mittelpunkt. Zusätzlich werden ukrainische Erfahrungen diskutiert, denn Korruption und Amtsmissbrauch des Janukowitsch-Regimes zählten zu den Hauptmotiven für die landesweite „Euromaidan“-Protestwelle, die den Regierungswechsel einleitete.
Russland gilt als eines der korruptesten Länder weltweit. Die enge Verflechtung von Wirtschaft und Politik ist prägend für die auf politische Monopolisierung der Herrschaft gerichtete Regierungspraxis unter Präsident Putin. Zugleich ist die Alltagskorruption zwischen einfachen BürgerInnen und BehördenvertreterInnen sehr weit verbreitet. Zwar räumen Präsident Putin und sein Amtsvorgänger Medvedev der Korruptionsbekämpfung – zumindest rhetorisch – immer wieder höchste Priorität ein, grundsätzliche Veränderungen sind jedoch nicht zu erkennen. Es stellt sich die Frage, ob der Tausch von politischer Loyalität gegen Gefälligkeiten nicht bereits zum „mode of governance“ des politischen Systems geworden ist.
Angesichts des aktuellen Konflikts um die Ukraine ist zudem zu erörtern, inwieweit die auf Korruption beruhenden Verbindungen innerhalb des Landes einer Autokratisierung der Regierung und expansiven Außenpolitik Vorschub leisten.
Deutschland gilt allgemein als ein Land mit niedriger Korruptionsrate, Alltagskorruption stellt eher die Ausnahme dar. Unanhängige Nichtregierungsorganisationen und Journalisten beobachten jedoch auch hier äußerst enge Verbindungen von Wirtschaft und Politik. Politische Entscheidungen werden durch Lobbyismus stark beeinflusst und die Grenzen zur politischen Korruption sind oft fließend.
Die Ukraine ist hinsichtlich des Korruptionsausmaßes in vielem mit Russland vergleichbar. Allerdings sind die BürgerInnen der allgegenwärtigen Korruption insbesondere in der Politik zunehmend überdrüssig und nutzten die „Euromaidan“-Proteste Ende 2013, um dagegen zu protestieren. Zivilgesellschaftliche Initiativen sind zunehmend in der Korruptionsbekämpfung aktiv, dokumentieren den Machtmissbrauch und sensibilisieren für das Thema. Jedoch macht sich auch Resignation breit, da alte Seilschaften nach wie vor viele politische Fäden ziehen und der Kampf gegen die Korruption nur schleppend vorangeht.
Ziel der Herbstgespräche ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Phänomens Korruption herauszuarbeiten, unterschiedliche Strategien der Korruptionsbekämpfung und ihre Erfolgsbedingungen zu diskutieren und Ideen für weitere internationale Zusammenarbeit, insbesondere auf zivilgesellschaftlicher Ebene, zu formulieren und zu sammeln.
Alle Interessierten sind dazu herzlich eingeladen.
Dr. Claudia Schäfer, Evangelische Akademie zu Berlin
Stefan Melle, Deutsch-Russischer Austausch
Programm
FREITAG, 7. November 2014
13.00 Uhr Anmeldung und Registrierung
14.00 Uhr Begrüßung und Einleitung
Dr. Rüdiger Sachau, Evangelische Akademie zu Berlin
Stefan Melle, Deutsch-Russischer Austausch, Berlin
14.15 Uhr Korruption: Schneller Vorteil, kriminelles Geld
Begriffsbestimmung, Ursachen, Verbreitung und Folgen von Korruption in Russland, Deutschland und der Ukraine
Wolfgang Schaupensteiner, Rechtsanwalt, ehem. Richter und Staatsanwalt, Frankfurt am Main
Elena Panfilova, Transparency International Russland, Moskau
Prof. Dr. Mykola Charvonyuk, Professur für Kriminologie, Nationale Schewtschenko Universität, Kiew
Andrey Schubin, russischer Unternehmensverband OPORA Rossii, Moskau
Moderation: Stefan Melle, Deutsch-Russischer Austausch, Berlin
16.00 Uhr Kaffeepause
16.30 Uhr Jeder ist sich selbst der nächste?
Korruptionspraktiken im Alltag als Spiegel der Haltung zum Gemeinwesen
Vladimir Rimskii, Leiter Soziologische Abteilung des INDEM-Instituts, Moskau
Oleg Khomenok, YanukovychLeaks, Kiew
Dr. Rüdiger Reiff, Generalstaatsanwaltschaft Berlin, Zentralstelle Korruptionsbekämpfung
Andrej Kalikh, NGO-Koalition gegen Korruption in Russland, Moskau
Moderation: Walter Kaufmann, Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin
18.30 Uhr Abendessen
Ende gegen 21.00 Uhr
SAMSTAG, 8. November 2014
09.30 Uhr Einführung in die Arbeitsforen
10.00 Uhr Arbeitsforum A: Bildungsauftrag Ehrlichkeit?
Holger-Michael Arndt, Geschäftsführer CIVIC - Institut für internationale Bildung, Düsseldorf
Ricarda Bauch, Leiterin Arbeitsgruppe “Politische Bildung” bei Transparency International, Berlin
Andrej Kalikh, NGO-Koalition gegen Korruption in Russland, Moskau
Peter Glinder, Rechnungsprüfungsamt, Stuttgart
Moderation: Annegret Wulff, MitOst e.V., Berlin
Arbeitsforum B: Wirtschaft und Politik - zwischen Interessengemeinschaft und Konflikt
Andrey Schubin, russischer Unternehmensverband OPORA Rossii, Moskau
Halyna Senyk, Anti-Corruption Action Centre, Kiew
Dr. Roland Stein, Jurist mit Schwerpunkt Compliance, Kanzlei Freshfields, Berlin
Moderation: Dr. Alexander Libman, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin
Arbeitsforum C: Weniger Korruption durch stärkere Medien?
Ralf Schönball, Tagesspiegel, Berlin
Oleg Khomenok, YanukovychLeaks, Kiew
Andrej Sukhotin, Novaja Gazeta, Moskau
Moderation: Angelina Davydova, freie Journalistin, St. Petersburg
11.30 Uhr Mittagsimbiss und Kaffeepause
12.15 Uhr Herausforderung Transparenz: Wie können zivilgesellschaftliche Akteuere zur Begrenzung von Korruption beitragen?
Elena Panfilova, Transparency International Russland, Moskau
Konstantin Terekhov, ehem. Stiftung gegen Korruption von Aleksey Navalny, Moskau
Halyna Senyk, ehem. Anti-Corruption Action Centre, Kiew
Harry Hummel, Netherlands Helsinki Committee, Den Haag
Moderation: Anna Sevortyan, EU-Russia Civil Society Forum, Berlin
14.00 Uhr Ende der Veranstaltung
Aktualisierung vom 6.11.2014
Änderungen vorbehalten!