Widerstand und Opposition gehören zu den wesentlichen Bestandteilen einer nationalen Selbsterzählung. Der Verweis auf Renitenz oder Widerstandsakte soll Stärke und Souveränität dokumentieren und gilt als Beleg für den Mut einer mündigen Bevölkerung, die sich gegen Willkür, Fremdherrschaft oder Unrecht zur Wehr setzt.
Insbesondere Gedenkstätten, die über Verbrechen an der Menschlichkeit informieren und an die Opfer von einst erinnern, scheinen den Widerstand als wesentliche Gegenkomponente der dort vermittelten Mechanismen von Gewalt oder Rechtlosigkeit zu benötigen. Die Darstellung von Unrecht wird ergänzt durch Beispiele vorbildlichen Verhaltens, aktiver Gegenwehr und gegenseitiger Solidarität. Der Verfolgung aus politischen, rassischen, religiösen oder sozialen Gründen wird nachträglich Sinn verliehen. Besonders in den kommunistischen Gesellschaften wurden Orte nationalsozialistischer Verfolgung folgerichtig zu Widerstandsmuseen, die sich nach dem Systemwechsel oft in ein nationales Narrativ wandeln ließen.
Wir fragen, welche Rolle die Erinnerung an Opposition und Widerstand gegen Diktaturen, Fremdherrschaft und Besatzung in den nationalen Erzählungen der einzelnen Staaten in Europa spielen und wie sich die Narrative wandeln. Zeichnen Gedenkstätten und Museen nationale Mythen nach oder versuchen sie, kritische Gegenbilder zu entwerfen, die der nationalen Erzählung widersprechen? Wie werden Themen wie Kollaboration und die Position der Mit-läufer reflektiert? Kann die Thematisierung von Opposition und Widerstand helfen, Uneindeutigkeiten und Brüche diktatorischer Verhältnisse zu verdeutlichen? Wie und mit welchem Erkenntnisinteresse werden diese Themen in Gedenkstätten und Museen dargestellt?
Das ost-westeuropäische Gedenkstättentreffen richtet sich an Mitarbeiter/innen von Gedenk-stätten und Museen sowie an Personen, die sich in Projektarbeiten, an Schulen oder Hochschulen mit der Geschichte von Nationalsozialismus, dem Völkermord an den europäischen Juden, Stalinismus und kommunistischer Diktatur sowie anderen Formen totalitärer Gewaltherrschaft und des Widerstandes dagegen auseinandersetzen. Das Gedenkstättenseminar versteht sich als Forum für einen gesamteuropäischen Erfahrungsaustausch von Vertretern aus der Praxis, die in der historisch-politischen Bildungsarbeit tätig sind, sowie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Wir laden herzlich zur Teilnahme ein!
Dr. Jacqueline Boysen
Dr. Andrea Genest
Dominik Kretschmann
Dr. Burkhard Olschowsky
Markus Pieper
Kooperationspartner sind:
Gedenkstätte Stiftung Kreisau
Evangelische Akademie zu Berlin
Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Europäisches Netzwerk Erinnerung und Solidarität
in Verbindung mit der Kreisau-Initiative Berlin e.V.
Mittwoch, den 12. März 2014
ab 17:00 Anreise und Zimmerbelegung
Kaffee
18:00–19:00 Abendessen
19:00–20:30 Besuch des Berghauses, kurze Einführung in die Geschichte des Ortes
Einführung in das Programm durch die Veranstalter, Vorstellungsrunde
anschl. geselliger Abend zum Kennenlernen und Austauschen
Donnerstag, den 13. März 2014
Eröffnungsdebatte
09:30–11:00 „Mythen der Nationen“ – Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in Europa.
PD Dr. Monika Flacke, Deutsches Historisches Museum, Berlin/Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Kommentar: Der Kommunismus in der europäischen Erinnerung
Prof. Dr. Valters Nollendorfs, Latvijas Okupācijas muzejs (Lettisches Okkupationsmuseum), Riga
Diskussion
11:00–11:30 Kaffeepause
Darstellung und Deutung von Resistenz in Museen und Gedenkstätten
11:30–13:30 Widerstand gegen Nationalsozialismus und deutsche Besatzung
Dominik Kretschmann, Stiftung Kreisau
Victoria van Krieken, Liberation Route Europe Foundation, Elst/Niederlande
Marek Syrny, Muzeum Slovenskeho narodneho povstania (Museum des slowakischen Nationalaufstandes), Banska Bystrica
13:30–15:00 Mittagspause
15:00–17:00 Holocaust und Judenrettung
Justyna Majewska, Muzeum Historii Zydow Polskich (Museum der Geschichte der polnischen Juden), Warschau
Guido Vaglio, Museo Diffuso di Torino
17:00–18:00 Projektpräsentationen
18:00–19:30 Abendessen
Freitag, den 14. März 2014
09:30–11:30 Opposition und Widerstand gegen kommunistische Machthaber
Prof. Dr. Valters Nollendorfs, Latvijas Okupācijas muzejs (Lettisches Okkupationsmuseum), Riga
N. N., Muzeum Historii Polski (Museum der Geschichte Polens), Warschau
11:30–12:00 Kaffeepause
12:30–13:30 Forum historisch-politische Bildung
Projektpräsentationen
13:30–15:00 Mittagspause
15:00 Abfahrt nach Groß Rosen, Besichtigung
19:00 Abendessen
Samstag, den 15. März 2014
Opposition und Widerstand als Vorbild für die Demokratie
09:30–11:00 N. N., Europejskie Centrum Solidarnosci (Europäisches Solidarność-Zentrum), Danzig
11:00–12:00 Abschlussdiskussion: Mythos Widerstand?
12:00–12:30 Auswertungsrunde und Ideen für das nächste Mal
Tagungssprachen (Simultanübersetzung): Deutsch, Polnisch, Russisch
Das Programm in anderen Sprachen finden Sie unter:
http://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/veranstaltungen2014-4463.html?id=2247