Rassismus wird vorwiegend als Problem anderer verstanden, die nicht zum ‚Wir‘ gehören. Anders als in den angelsächsischen Ländern und in Frankreich und auch anders als in der bundesdeutschen Wissenschaft, ist Rassismus in der Öffentlichkeit selten ein Gegenstand der Reflexion. Wenn überhaupt über Rassismus gesprochen wird, dann bezieht sich das kaum auf die Mitte der Gesellschaft. Meistens geht es dann um Rechtsextremismus, selten aber um Alltagsphänomene und Normalitäten in der Demokratie. Diese Vermeidung steht im Zusammenhang eines distanzierenden Umgangs mit der NS-Zeit. Was ideologische Ähnlichkeiten dazu aufweist, soll auf Abstand gehalten werden. Gerade im Zuge der erfolgten Aufarbeitung ist ein Selbstbild entstanden, das es kaum zulässt, Rassismus als Gegenwartsphänomen zu erkennen. Die Evangelischen Akademien sehen sich in einer besonderen Verantwortung für die Erinnerung an die NS-Verbrechen. Dazu gehört die Bearbeitung der Nachwirkungen, die sich gegenwärtig immer wieder dann zeigen, wenn abstammungsbezogene Selbstbilder festgeschrieben werden und national-kulturell-religiöse Zugehörigkeiten vereindeutigt werden.
Deshalb verstehen wir es als unsere Aufgabe, gegenwärtige Erfahrungen und ideologische Grundlagen von Rassismus in der Breite der Öffentlichkeit zu thematisieren, dafür Foren der Auseinandersetzung zur Verfügung zu stellen und konkrete Handlungsfelder zur Bearbeitung und Bekämpfung in den Blick zunehmen.
Für die Bildungspraxis stellen sich u. a. folgende Fragen: Wie kann rassismuskritische Bildung sinnvoll praktiziert werden? Welche inhaltlichen Voraussetzungen benötigen MultiplikatorInnen dafür? Welche Methoden sind erfolgreich? Welche Rolle spielen Kirche, Religionsunterricht und Theologie?
Die hohe Komplexität in der Beschreibung von Rassismus und seinen Ursachen ist zu beachten, um erstens dem Missverständnis, Rassismus sei ein einfaches Vorurteil vorzubeugen, sowie zweitens den Bezug zum Nationalsozialismus historisch zu sondieren und gegenwärtig einzuordnen. Für einen zeitgemäßen Umgang mit Rassismus ist zudem das Verhältnis zwischen individuell verantwortetem und strukturellem Rassismus zu thematisieren.
Prof. Dr. Astrid Messerschmidt, Technische Universität Darmstadt
Dr. Christian Staffa, Evangelische Akademie zu Berlin
In Zusammenarbeit mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, der Martin-Niemöller-Stiftung und der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin
Freitag, den 13. März 2015
Ab
16.30 Uhr Anreise und Anmeldung
18.00 Uhr Abendessen
19.00 Uhr Begrüßung und Einführung
Dr. Christian Staffa, Evangelische Akademie zu Berlin
19.15 Uhr Einheit in Ausgrenzungsverhältnissen - Nation und Kultur als Identitätsgaranten
Prof. Dr. Astrid Messerschmidt, Erziehungswissenschaftlerin, TU Darmstadt
Ende gegen 21.30 Uhr
Samstag, den 14. März 2015
8.00 Uhr Frühstück (für Übernachtungsgäste)
9.00 Uhr Andacht
9.30 Uhr Grenzziehungen, Phänomene und Kritik des antimuslimischen Rassismus
Dr. Farid Hafez, Islamwissenschaftler, Universität Salzburg
10.30 Uhr Grenzerfahrungen, Wo kommst du her?
(Post-)Migrantische Stimmen der zweiten und dritten Generation
Meral El, Landesausschuss für Migration, Diversität und Antidiskriminierung (LAMA), GEW, Berlin
N.N.
11.15 Uhr Kaffeepause
11.45 Uhr Ein Leib viele Glieder - Theologie, Kirche und Normativität von Weiss-Sein
Dr. Eske Wollrad, Theologin, Ev. Frauen in Deutschland, Hannover
13.00 Uhr Mittagessen
14.30 Uhr Schwarz und Deutsch
Zur Geschichte einer ignoranten Gegenwartsgesellschaft
Hadija Haruna, Journalistin und Redakteurin, Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, Frankfurt/M.
16.00 Uhr Kaffeepause
16.30 Uhr Grenzgänger_innen: Praxis antirassistischer Arbeit
Parallele Arbeitsgruppen
1. Biografische Zugänge zu Diskriminierungserfahrungen
Dr. Dorothee Schwendowius, Erziehungswissenschaftlerin, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg
2. Rassismuserfahrungen von Jugendlichen
Dr. Wiebke Scharathow, Erziehungswissenschaftlerin, Pädagogische Hochschule Freiburg
3. Antisemitismus in der Bildungsarbeit, Erfahrungen aus Berlin
Hanne Thoma, Politologin, Taskforce: Education on Antisemitism, Berlin
4. Rassismus gegen Sinti und Roma
Hajdi Barz, freie Bildungsreferentin, Romaniphen, Inirromnja, Berlin
Tayo Onutor, Ini Romnija, Berlin
18.30 Uhr Abendessen
19.30 Uhr Offenes Gespräch zu aktuellen (Rechts-)Populismen
Sonntag, den 15. März 2015
8.00 Uhr Frühstück (für Übernachtungsgäste)
9.00 Uhr Andacht
9.15 Uhr Rassismus als individuelle und gesellschaftliche Praxis: Zwei Perspektiven
Leah Carola Czollek, Gastdozentin an der Alice-Salomon-Hochschule, Czollek Consult, Institut für Mediation, Diversity und Dialog
Hajdi Barz, freie Bildungsreferentin, Romaniphen, Inirromnja, Berlin
11.00 Uhr Kaffeepause
11.30 Uhr Was kann Kirche und Theologie tun, was soll sie tun?
Podiumsdiskussion
Dr. Eske Wollrad, Theologin, Ev. Frauen in Deutschland, Hannover
Dr. Rainer Möller, Comenius Institut, Münster
Doris Peschke, Theologin, Generalsekretärin der Kirchlichen Kommission für Migranten in Europa, Hamburg
Moderation: Prof. Dr. Astrid Messerschmidt, Dr. Christian Staffa
12.30 Uhr Mittagessen und Ende der Tagung
Gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung