1522 wurde beim Wittenberger Bilderstreit die Frage nach der Gültigkeit des biblischen Bilderverbots unter den damals neuen Voraussetzungen der Reformation ausgefochten. 500 Jahre später fragen wir in sechs Veranstaltungen unter modernen Vorzeichen: „Was darf man zeigen?“
Am letzten Abend der Reihe sprechen wir über Leid: Wer in eine Kirche geht, dem wird visuell weitaus mehr Leid als Freude ins Auge springen. Jesus am Kreuz, die Pietà, die trauernde Maria mit dem Leichnam ihres Sohnes in den Armen also, die Darstellung von Märtyrern, Visionen von Höllenqualen – kirchliche Kunst lebt von einer Bildsprache, in deren Zentrum die leidende Kreatur steht. Aber auch in säkularen Kontexten begegnet uns die Darstellung von Leid allenthalben: In den Tagesthemen sehen wir Bilder von Menschen in Notsituationen. Nichtregierungsorganisationen werben für Spendengelder mit hungernden Kindern. Manche Bilder von Menschen in höchster Not sind ikonisch geworden. Es gibt ganze Ausstellungen, die sich der Ästhetik der Kriegsfotografie widmen.
Aber: Darf man das? Darf der Künstler Ai Weiwei das Bild des dreijährigen toten Jungen Aylan Kurdi am Strand darstellen oder ist das eine Verletzung menschlicher Würde? Dürfen Hilfsorganisationen Bilder leidender Kinder abdrucken, weil es dem guten Zweck dient, Spendengelder einzuwerben? Oder konterkarieren sie damit ihre eigenen Anliegen? Sollten Journalistinnen und Journalisten Bilder von Menschen in leidvollen Situationen zeigen, auch wenn diese keine Einwilligung dazu gegeben haben?
Diese und andere Fragen diskutieren Petra Bahr (Regionalbischöfin und Mitglied des Deutschen Ethikrats) und Thomas Macho (Kulturwissenschaftler). Moderation: Friederike Krippner
Eine Kooperation der Evangelischen Akademie zu Berlin mit der Stiftung St. Matthäus, Kulturstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.