An mehreren Stellen wird im Neuen Testament vor Hunden gewarnt: „Nehmt euch in Acht vor den Hunden … nehmt euch in Acht vor der Zerschneidung“ heißt es im Philliperbrief, und im Matthäusevangelium: „Werft Heiliges nicht vor die Hunde“ (Mt 7,6) Verbunden mit der Erzählung von der Syrophönizerin (Mk 7,24-30) und der Kananäerin (Mt 15,21-28) wurden diese Warnungen bereits in der Spätantike auf Jüdinnen und Juden bezogen und als Schimpfworte benutzt. In ihrem Vortrag geht Angela Standhartinger solchen dehumanisierenden Zuschreibungen nach und schlägt andere textgemäße Interpretationen vor.
In unserer Reihe antisemitismuskritischer Bibelauslegungen stellen renommierte sowie junge Exeget*innen neue Bibelauslegungen vor, die der tradierten Stereotypisierung von Juden, Jüdinnen und Judentum entgegentreten. Klischeehafte christliche Vorstellungen wirken oft bildhaft im säkularisierten Antisemitismus weiter: der alttestamentarische Gesetzesglauben; der Rachegott, der Blutopfer als Sühne verlangt und Beschneidung anordnet; der eine bestimmte Gruppe auserwählt (Kirche oder Synagoge) und dessen Verheißungen Nationalismus und Kolonialismus schüren.
In wissenschaftlich fundierten, aber leicht zugänglichen Auslegungen bestimmter Textpassagen hinterfragen wir diese karikierenden Vorstellungen jeden zweiten Donnerstag im Monat. Die Exeget*innen schneiden dabei die antijüdische Rezeptionsgeschichte kurz an, entwickeln aber vor allem neue, kreative und lebendige Verständnismöglichkeiten, in denen die Schrift in ihrer Tiefe und Mehrdimensionalität neu zur Geltung kommt. Die Vorträge sollen Lust machen, das Potenzial biblischer Texte neu zu entdecken und zu zeigen, wie sehr wir davon profitieren, wenn wir sie mit der jüdischen Tradition und nicht gegen sie lesen.
Prof. Dr. Angela Standhartinger ist Professorin für Neues Testament an der Philipps-Universität Marburg.
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11. Mai 2023
Die Vernichtung der Völker
Klara Butting befasst sich mit dem Gewaltbild von der Vernichtung der Urbevölkerung in Kanaan