Wie hängt das zugrundeliegende Muster, demzufolge Jesus als gut, das Judentum aber als schlecht anzusehen ist, mit der Entwicklung des höchst fragwürdigen Selbstverständnisses des neuzeitlichen Christentums zusammen, die beste Religion zu sein? Was sagen die Evangelien über Jesu Beziehung zu Kindern wirklich aus? Wie verhält sich das zu dem, was wir über die Stellung und Bewertung von Kindern im antiken Judentum wissen? Der Beantwortung dieser Fragen widmet sich Martin Leutzsch in seinem Vortrag.
In unserer Reihe antisemitismuskritischer Bibelauslegungen stellen renommierte sowie junge Exeget*innen neue Bibelauslegungen vor, die der tradierten Stereotypisierung von Juden, Jüdinnen und Judentum entgegentreten. Klischeehafte christliche Vorstellungen wirken oft bildhaft im säkularisierten Antisemitismus weiter: der alttestamentarische Gesetzesglauben; der Rachegott, der Blutopfer als Sühne verlangt und Beschneidung anordnet; der eine bestimmte Gruppe auserwählt (Kirche oder Synagoge) und dessen Verheißungen Nationalismus und Kolonialismus schüren.
In wissenschaftlich fundierten, aber leicht zugänglichen Auslegungen bestimmter Textpassagen hinterfragen wir diese karikierenden Vorstellungen jeden zweiten Donnerstag im Monat. Die Exeget*innen schneiden dabei die antijüdische Rezeptionsgeschichte kurz an, entwickeln aber vor allem neue, kreative und lebendige Verständnismöglichkeiten, in denen die Schrift in ihrer Tiefe und Mehrdimensionalität neu zur Geltung kommt. Die Vorträge sollen Lust machen, das Potenzial biblischer Texte neu zu entdecken und zu zeigen, wie sehr wir davon profitieren, wenn wir sie mit der jüdischen Tradition und nicht gegen sie lesen.
Martin Leutzsch ist Professor Emeritus für Biblische Theologie an der Universität Paderborn, Mitherausgeber der Bibel in gerechter Sprache, und Autor wichtiger Beiträge zur sozialgeschichtlichen Exegese, zur Rezeptionsgeschichte des Neuen Testaments im christlich-jüdischen Gespräch und zu Genderfragen.
Einlass ist ab 18.30 Uhr.